Novizin der Liebe
– ein bestürzender Gedanke verschlug ihm den Atem – er wollte derjenige sein, der sie küsste …
Hastig wandte er den Blick ab. Was ging hier vor? Eben noch hatte er Gwenn vermisst, und bereits im nächsten Augenblick … Seine Gedanken überschlugen sich. Vielleicht hätte er Gwenns Andenken nicht treu bleiben sollen. Richard hatte ihn gewarnt: Enthaltsamkeit verdrehte Männern den Verstand. Vielleicht hatte er recht damit.
Dieses Mädchen war eine Novizin, Herrgott noch mal, die reine Unschuld! Er musste sich zügeln. Gewiss, sie reizte ihn, im körperlichen Sinne, und sie hatte ihm einen Heiratsantrag gemacht, doch er wollte verflucht sein, wenn er ihn annahm, ohne zuvor ihre wahren Gründe zu kennen.
„Ihr seid nicht schwer und kräftig genug, um eines unserer Pferde allein reiten zu können“, sagte er in lobenswert nüchternem Ton. „Würdet Ihr Euch damit begnügen, hinter einem der Männer auf einem Sattelkissen zu reiten? Unsere Sättel sind für die Schlacht gemacht, aber wenn wir kein Sattelkissen auftreiben können, findet sich gewiss eine andere Lösung.“
„Oh, nein“, entgegnete Cecily. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Das heißt … ich könnte nicht …“
Bevor sie als Novizin ins Kloster aufgenommen worden war, hatte Cecily reiten gelernt, so wie alle Damen. Doch es war vier Jahre her, dass sie zuletzt auf einem Pferd gesessen hatte, und sie glaubte nicht, dass sie es noch beherrschte. Und was meinte er mit „eine andere Lösung“? Sollte sie dann im Spreizsitz reiten? So hinter einem dieser … dieser Eindringlinge zu reiten, würde gewiss als unschicklich betrachtet werden …
Er zog die dunklen Brauen zusammen. „Mögt Ihr keine Pferde?“
„Doch, doch, natürlich. Aber ich bin schon so lange aus der Übung. Und Eure Pferde sind so groß. Könnte ich Mutter Aethelflaedas Pony nehmen?“
„Ich habe sie bereits darum gebeten, doch sie weigert sich, es auszuleihen.“ Seine grünen Augen leuchteten auf. „Vermutlich glaubt sie, ich würde es in Stücke hacken und den Hunden zum Fraß vorwerfen.“
„Aber Sir …“
Er wandte sich um, wischte ihre Bedenken mit einer flüchtigen Geste beiseite und bückte sich unter den Torbogen. „Wir werden etwas Passendes finden.“
Die Augen fest auf seinen gepanzerten Rücken gerichtet, folgte Cecily ihm mit finsterer Miene. Hinter einem seiner Männer auf dem Pferd sitzen? Nein, nein und nochmals nein! Es war eine feine Sache gewesen, als Kind mit ihrem Bruder Cenwulf über das Hügelland zu jagen, damals jedoch hatte sie ihr eigenes gutmütiges Pony Cloud geritten, statt sich im Spreizsitz auf einem riesigen Schlachtross an einen von Sir Adams Männer zu klammern. Und sie würde sich ganz gewiss nicht – ihre Wangen glühten bei dem Gedanken – hinter ihn setzen, den fremden bretonischen Ritter, der gekommen war, um das Land ihres Vaters in Besitz zu nehmen.
Im Hof wimmelte es von bewaffneten Reitern. Zaumzeug klirrte, als die Streitrösser ihre mächtigen Köpfe hin und her warfen und mit ihren schweren Hufen Abdrücke im Lehmboden hinterließen. Cecily erkannte keinen der Männer und Jünglinge der vergangenen Nacht wieder, da alle ihren Helm übergestülpt hatten. Plötzlich waren sie wieder Furcht einflößende fremde Gestalten mit lauten Stimmen und stählernen Waffen, die im Morgenlicht glänzten.
„Cecily! Cecily!“ Maudes Stimme drang durch das allgemeine Gelärme, und dann stand ihre Freundin neben ihr, umarmte sie und beäugte dabei misstrauisch Sir Adam und seine Männer. „Bist du sicher, dass dies ein weiser Entschluss ist?“, flüsterte sie.
Adam Wymark wandte den Kopf zu ihnen um – er war noch nicht aufgesessen. Seine Kettenhaube war hochgezogen, doch Cecily wusste, dass er sie hören konnte. Sie dachte an ihren neugeborenen Bruder, ein Waisenkind, das niemanden hatte, der für es sorgte, und sie nickte.
„Machen sie dir keine Angst?“, flüsterte Maude und drückte Cecily ein kleines, in Sackleinen eingewickeltes Bündel in die Hand.
Cecily straffte sich, ging nicht auf die Frage ein und beäugte das Sackleinen. „Was ist das?“
„Heilkräuter. Ich habe sie aus der Krankenstube – Andorn, Mohnsamen, Heil-Ziest und dergleichen … Du hast sie angepflanzt, geerntet, getrocknet … ich dachte, du solltest sie haben. Ich wusste, du würdest sie niemals mitnehmen, doch du weißt nicht, wie es um die Vorratskammer deiner Mutter bestellt ist.“
Cecilys Augen weiteten sich.
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