Novizin der Liebe
„Maude, das hättest du nicht tun sollen! Was ist, wenn Mutter Aethelflaeda es herausfindet? Sie wird dich wegen Diebstahls züchtigen.“
„Wie sollte sie es herausfinden? Ich werde es ihr gewiss nicht sagen, und du bist nicht mehr hier …“
Lächelnd schüttelte Cecily den Kopf. „Vielen Dank. Ich werde die Kräuter gewiss gebrauchen können.“
Adam Wymark warf einem der Männer die Zügel seines Rosses zu und stiefelte auf die beiden jungen Frauen zu. Sein dunkelblondes Haar war unter der Kettenhaube nicht mehr zu sehen, doch seine grünen Augen blickten vertraut – nicht hart oder gemein, sondern forschend. Cecily wurde mit einem Male bewusst, dass sie ihn nicht hasste, eine Erkenntnis, die ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend verursachte. Von allen Männern, die der normannische Herzog nach Fulford hätte schicken können, war er vermutlich der angenehmste. Der Himmel wusste, wie grob und unbedacht ihr eigener Vater bisweilen gewesen war. Es schien möglich, dass Sir Adam von gemäßigterer Wesensart war – sie wollte ihn beobachten und sich zunächst noch kein Urteil über ihn bilden.
Mit weit ausholender Geste deutete Sir Adam auf seinen Trupp. „Meine Männer stehen Euch zur Verfügung, Mylady. Mit wem wollt Ihr reiten?“
„M…mit wem?“ Cecily biss sich auf die Lippe, während sich alle Blicke auf sie richteten. Was war beunruhigender? Die Vorstellung, an Sir Adam gedrückt im Sattel zu sitzen, oder die, mit einem seiner Männer zu reiten? „S…Sir, ich …“
Maude, die des Französischen mächtig war, hatte das Gespräch verfolgt. Sie trat einen Schritt vor und hatte dabei jenen trotzigen Zug um den Mund, den Cecily schon so oft bei ihr entdeckt hatte, wenn Maude vorsätzlich eine der Ordensregeln missachtet hatte. „Lady Cecily sollte nicht mit einem gemeinen Kriegsknecht reiten, Sir.“
Voller Sorge um ihre Freundin, zupfte Cecily sie am Ärmel. „Maude, nein!“
Sir Adam blickte nachdenklich auf Maude herab und entgegnete dann bedächtig in freundlichem Ton: „Du hast recht, auch wenn meine Männer es dir gewiss nicht danken würden, dass du sie ‚gemein‘ nennst …“ Er seufzte tief. „Und ich dachte, alle Menschen seien gleich, zumindest vor dem Auge Gottes.“
„Das sind sie auch, Sir“, beteuerte Maude hastig. „Das sind sie in der Tat.“
„Ah, dann ist es ja gut. Denn ich bin ein gemeiner Mann, kein Adliger, und Lady Cecily wird mit mir reiten.“
Cecilys Blick verfinsterte sich, als sie ein verdächtiges Funkeln in seinen Augen und das flüchtige Zucken seiner Lippen bemerkte. Da war ein scharfer Unterton in seiner Stimme, kein Zweifel, doch er lachte – der Schuft machte sich über sie lustig …
„Sagt Lebewohl“, forderte er sie auf und trat zur Seite, damit Maude und Cecily einander umarmen konnten.
Dann packte er sie wie am Abend zuvor am Handgelenk und führte sie zu der Stelle, wo ein Mann – nein, es war ein Jüngling – sein Streitross am Zügel hielt, den herrlichen Fuchs. Cecily biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte nie zuvor ein Pferd geritten, das auch nur halb so groß war wie dieses.
„Fürchtet euch nicht vor ihm.“
„I…ich fürchte mich nicht.“
„Hier …“ Er zog sie weiter, bis sie dicht neben dem Kopf des Pferdes stand. „Sein Name ist Flame. Gebt ihm Gelegenheit, Euch anzusehen, Euch zu riechen. Er wird Euch nichts tun, wenn er weiß, dass Ihr zu mir gehört. Ihr könnt ihn anfassen. Ich habe noch nie erlebt, dass er eine Frau gebissen hat.“
Sie blickte Adam Wymark verblüfft an, doch es war unmöglich zu sagen, ob er seine Worte ernst meinte oder sie nur neckte. „Er beißt also Männer, Sir?“ In der Schlacht würde dieses Streitross gewiss alles tun, was sein Herr von ihm verlangte, vermutete sie. Ein ernüchternder Gedanke.
„Nur zu, streichelt ihn!“
Zögernd streckte Cecily die Hand aus und tätschelte den mächtigen, gebogenen Hals des Tieres, wobei sie sanft murmelte, als handele es sich bei dem Schlachtross um eines der Ponys ihres Vaters. So hatte sie ihre Stute Cloud gestreichelt, bevor sie nach St. Anne’s gekommen war. Cloud war mit ihrem Vater nach Fulford zurückgekehrt, denn es war Novizinnen nicht gestattet, Ponys zu besitzen. Was war aus ihr geworden? Das kastanienbraune Maul dieses Pferdes war genauso weich, wie Clouds gewesen war, stellte sie fest.
„Warm und weich“, murmelte sie.
„So ist es gut, zeigt ihm, dass Ihr keine Angst habt“, sagte der Mann an ihrer Seite. Noch
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