Novizin der Liebe
trabten just in dem Augenblick zum Tor hinaus, als die Glocken der Kapelle die Nonnen zur Prim riefen.
Auf dem Rücken von Adam Wymarks Schlachtross hin und her geschüttelt, klammerte Cecily sich verzweifelt fest. Sie warf einen Blick über die Schulter, reckte den Hals, um an dem Trupp berittener Krieger vorbeizuschauen, der ihnen folgte, und erspähte Maude. Ihre Freundin stand am Tor und winkte. Cecily hatte keine Hand frei, um ihren Abschiedsgruß zu erwidern, doch sie brachte ein Lächeln zuwege und hoffte, Maude würde es sehen.
„Lebe wohl, Maude!“
Das Glockengeläut verebbte. Maude sah über die Schulter, wechselte einige Worte mit jemandem, der hinter ihr im Hof stand, lehnte sich gegen die großen Tore, um sie zuzudrücken und schlüpfte erst im letzten Augenblick selbst zurück ins Kloster.
Cecily vermochte nicht zu sagen, warum, doch sie ließ den Blick so lange wie möglich auf den geschlossenen Toren ruhen, bis sie diese schließlich aus den Augen verlor, als sie mit donnerndem Hufschlag über die Brücke ritten und den Weg einschlugen, der in den Wald führte.
6. Kapitel
Von Zeit zu Zeit ließ Cecily den Kopf gegen Adam Wymarks breites Kreuz sinken, die Wange in die pelzgefütterte Kapuze seines Mantels geschmiegt. Zwischen den Maschen seines Kettenpanzers war sein ledernes Gambeson zu sehen.
Fulfords neuer Herr war Rechtshänder, sein Schild hing folglich zu seiner Linken und jedes Mal, wenn Flame in Trab fiel, stieß er gegen Cecilys Schenkel. Gewiss war sie dort schon mit blauen Flecken übersät, doch das war noch ihre geringste Sorge. Jeder Muskel ihres Körpers schmerzte, alle Knochen taten ihr weh. Die Lippen fest zusammengepresst, um ihr Stöhnen zu unterdrücken, klammerte Cecily sich an Sir Adam und betete, der Schutzpatron der Reisenden Sankt Christophorus möge dafür sorgen, dass sie nicht von Flames Rücken stürzte. Reiten war einst eine Lust gewesen, heute war es eine harte Prüfung, die es zu erdulden galt.
Sorgenvolle Gedanken hatten ihr den Schlaf geraubt, doch das war nicht der einzige Grund für ihre Erschöpfung. Eher waren es die vielen Nachtwachen, die Mutter Aethelflaeda ihr in der Woche vor Emmas Flucht ins Kloster auferlegt hatte. Und das ständige Fasten. Es mochte gut für die Seele sein, doch es schwächte den Körper, das stand ganz außer Zweifel. Behutsam ihre Sitzposition ändernd, unterdrückte Cecily ein abermaliges Stöhnen. Ihre Wangen trugen gewiss bereits den Abdruck von Sir Adams Kettenhemd, sosehr sie ihr Gesicht auch mit der Kapuze seines Mantels geschützt haben mochte. Es kümmerte sie nicht mehr.
An einem moosbewachsenen Meilenstein, der anzeigte, dass sie den Stadtrand von Winchester erreicht hatten, reihten sie sich in einen steten Strom von Rittern und Pilgern ein, die auf dem Weg ins Herz der Stadt waren. Wie viele Männer hier doch unterwegs waren!
Von einem unbehaglichen Gefühl beschlichen, setzte Cecily sich kerzengerade auf. Die meisten der Männer machten einen verkommenen, ungewaschenen Eindruck. Grob und ziemlich furchterregend. Zweifellos rührte dieser Eindruck daher, dass sie im Kloster kaum Männer zu Gesicht bekommen hatte. Doch sie sahen alle so … so stark aus, wenn auch nicht ganz so stark wie der Mann, der vor ihr im Sattel saß. Allerdings wirkten sie bedrohlicher. Bedrohlicher als Herzog Wilhelms Ritter? Cecily grübelte einen Augenblick darüber nach, denn schließlich waren die Männer Angelsachsen wie sie selbst. Jedoch wäre sie keinem Einzigen von ihnen gern im Dunklen begegnet, während sie den bretonischen Ritter nicht fürchtete. Sie hielt den Atem an. Sie traute ihm? Das war unmöglich: Adam Wymark war ihr Feind .
Cecily setzte eine entschlossene Miene auf, ermahnte sich, einen kühlen Kopf zu bewahren und ließ den Blick umherschweifen. Sie war erst einmal in der Hauptstadt von Wessex gewesen, damals, als ihr Vater sie ins Kloster gebracht hatte, und jener Tag war so überschattet gewesen von Wut, Kummer und, ja, Bitterkeit darüber, von zu Hause fortgeschickt zu werden, dass sie kaum etwas von der Stadt wahrgenommen hatte.
Winchester war von alten römischen Mauern umgeben, die von den angelsächsischen Königen, von Alfred bis hin zu Harold, stets instand gehalten worden waren. Ob die Normannen sie bei der Eroberung der Stadt wohl durchbrochen haben, fragte sich Cecily und reckte den Hals, um einen Blick auf die Mauer zu erhaschen. Sie wirkte größtenteils unversehrt, ein mächtiges Bollwerk aus grauem
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