Nr. 13: Thriller (German Edition)
es wollte. Er musste lernen, seine Scham zu überwinden und um etwas zu bitten. Es war nichts Falsches daran, seine Gefühle auf der Zunge zu tragen und zu sagen: „Beug dich noch mal zu mir runter, damit ich dich küssen kann.“ Aber der Moment ging vorbei, ohne dass er sein Verlangen deutlich gemacht hatte. Esel, so wird das nie was!
Marie nahm die Zeitung vom Tisch und brachte sie zum Korb, indem sie das Altpapier sammelten. Zerknirscht schaute Daniel ihr hinterher und fragte sich, wie lange er diese emotionale Achterbahnfahrt noch aushielt. Es quälte ihn, darauf zu warten, dass Marie eine Entscheidung fällte. Er hätte sich ein Bein ausgerissen, um diese zerbrechliche und gleichzeitig starke Frau glücklich zu machen. Doch was war diese Beteuerung wert, wenn sie von einem Mann kam, der von der Hüfte abwärts gelähmt war? Nicht viel.
Als Daniel an der Unfallstelle ankam, stellte er seinen Wagen in zweiter Reihe ab. Verboten hin oder her, es war inzwischen halb elf Uhr durch. Zu dieser Nachtzeit waren die meisten Menschen zu Hause und das machte es nahezu unmöglich, in ganz Ehrenfeld einen Parkplatz zu finden. Es machte ihn zwar verlegen, vor den Augen der Schutzpolizisten und der Schaulustigen, die aus den Fenstern der umliegenden Häuser das Geschehen verfolgten, seinen Rollstuhl mühsam aus dem Auto zu hieven, ihn aufzuklappen und sich hineinzuschwingen. Aber immerhin brannten die Straßenlaternen in der Gegend nicht, sodass er schlecht zu sehen war. Einen Stromausfall konnte es nicht gegeben haben, denn die Beleuchtung der Parallelstraßen und in den Wohnungen funktionierte. Ob der Unfall etwas damit zu tun hatte?
Daniel schob seinen Bock etwas schneller auf die Kreuzung zu. Der Schneeregen fiel fast senkrecht vom Himmel hinab. Er stach in Daniels Augen und kroch unter den Kragen seiner Jacke. Als Daniel bei Leander ankam, schüttelte er sich wie ein Hund. Er zog die Schiebermütze tiefer in die Stirn und den Kopf zwischen die Schultern. Die Temperaturen waren wieder gesunken. Der Wetteransager im Radio hatte für die kommenden Tage Schnee angekündigt. Das bereitete Daniel Kopfschmerzen. Für Popo-Ferraries gab es keine Kufen.
Zu allem Übel räumte man die Unfallstelle bereits auf. Stefan Haas war offensichtlich schon abtransportiert worden. Die Kollegen von der Polizeiinspektion West machten sich letzte Notizen zum Hergang und koordinierten den wenigen Verkehr, der noch herrschte. Das Fahrzeug des Unfallverursachers wurde gerade auf dem Abschleppwagen verzurrt.
Daniel kam zu spät. Obwohl er sich beeilt hatte, kam er zu spät. Wütend schlug er auf die Armlehne seines Bocks, denn er gab ihm die Schuld.
„Ich sagte doch, ich hätte dich abgeholt.“
„Halt den Mund.“ Sein rechter Schuh stand unnatürlich schräg auf den Fußstützen. Daniel richtete ihn leicht verschämt.
„Wenn schlechte Laune eine Krankheit wäre, würde ich sagen, Tomasz hat dich angesteckt.“
„Entschuldigung. War nicht so gemeint. Es ist nur … Ich möchte nicht wie ein Kleinkind … Zu Hause läuft es nicht … Ach, verdammt!“, fluchte Daniel, stellte den Kragen seiner Jacke auf und merkte, wie Wasser unter seinen Pullover rann. „Hast du Haas vernehmen können?“
„Ich habe den Krankenwagen nur noch von hinten gesehen. Die Kollegen von der Schupo haben die informatorische Befragung gerade beendet.“
„Schon?“
Leanders blonde Locken sahen frisch gewaschen aus. „Sie haben die Aussagen von einem Paar aufgenommen. Die jungen Leute standen im Hauseingang dort drüben und knutschten herum, als ein Schatten an ihnen vorbeihuschte. Stefan Haas. Sie hörten das Quietschen von Reifen, traten auf den Gehweg und sahen gerade noch, wie das Auto Haas erwischte.“
„Mehr nicht?“
Als Leander den Kopf schüttelte, schwang sein Regenschirm hin und her und verteilte Tropfen auf Daniel. „Anwohner, die schon im Bett lagen, schreckten durch den Aufprall hoch und stürmten zum Fenster. Sie alarmierten den Arzt, der bei ihnen im Haus wohnt und die Erstversorgung von Haas übernahm.“
„Ist das alles?“ Daniel schaute zornig zum pechschwarzen Himmel, doch es schüttete weiter wie aus Kübeln.
„Der Unfallverursacher“, Leander warf einen Blick auf den Notizblock in seiner Hand, „Konrad Schmidt, kam mit einem Schock ins Krankenhaus.“
„Also hat man Stefan Haas nicht absichtlich über den Haufen gefahren.“
„Schmidt kannte Haas nicht. Das müssen wir zwar noch nachprüfen, aber ich glaube ihm. Ich
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