Nr. 13: Thriller (German Edition)
denn er erwischte den Bügel seiner Brille. „Du bist ja irre.“
„Ich hab das Kind deutlich gesehen. So ’n Momoverschnitt. Es ist an der Tür vorbeigelaufen. Die stand offen, weil du hier drinnen paffst, obwohl es nicht erlaubt ist. Es ist verboten, aber das kratzt dich ja nicht.“
„Das ist ’n Büdchen und keine Kneipe oder Wirtschaft.“
„Aber hier ist Ausschank. Außerdem ist Passivrauchen tödlich. Du bringst mich noch ins Grab mit deiner Qualmerei.“ Erneut griff sie in die Box und krächzte mit vollem Mund: „Ins Grab!“
„Deine Fresserei bringt dich inne Kiste und nix anderes.“ Demonstrativ steckte sich Theo eine an.
Daniel, peinlich berührt von der schroffen Unterhaltung, räusperte sich. „Der Mann war hinter einem Kind her?“ Hatte Stefan Haas ein neues Missbrauchsopfer auserkoren? Aufgebracht griff er seinen Becher fester, als notwendig gewesen wäre.
„Zuerst hat er gerufen: Bleib stehen! Dann: Lauf! Vielleicht habe ich mich aber auch verhört, denn das kann ja nicht sein. Kann es nicht“, plauderte Gloria schmatzend. „Der Kleine hielt jedenfalls nicht an, nein, das tat er nicht, ich erinnere mich genau. Hab ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Ich sollte zum Supertalent gehen.“
„Was für ein Käse! Der jlauben Sie ja wohl nicht.“ Theo blies Rauchwölkchen aus.
Daniel stellte den lauwarmen Kaffee ab und holte seinen Notizblock heraus. „Sind Sie sicher, dass es ein Junge war, den er vor sich her durch die Straße trieb?“
Als Gloria schnaubte, stob ein Spuckeregen über die Theke. „Hab doch Adleraugen. Der Kerl ist hinter dem Bub hergerannt, hat weder rechts noch links geguckt, ist einfach über die Straße drüber und da hat es ihn volle Kante erwischt.“
„Du sitzt doch viel zu weit vom Fenster weg. Die Kreuzung kannst du jar nicht einsehen.“ Tief inhalierte Theo den Rauch und stieß ihn während des Redens aus: „Du kannst das nicht beobachtet haben.“
Dem musste Daniel zustimmen. Aber das Kind mochte sie dennoch gesehen haben. Wahrscheinlich hatte sie sich zusammengereimt, was passiert war. Aber das, was sie sagte, klang nachvollziehbar. So könnte es sich zumindest zugetragen haben.
„Dein Nasenfahrrad hat Gläser dick wie Glasbausteine und es war dunkel, aber die Angst auf dem Gesicht des Kerls haste erkannt, ja? Willst du mich für dumm verkaufen?“ Gloria machte den Ansatz, sich vorzulehnen. „Wie sah denn sein Verfolger aus? Erzähl schon, komm, erzähl es uns.“
Eine gute Frage, fand Daniel und schaute Theo erwartungsvoll an.
Dieser löschte seine Kippe auf einem Flaschendeckel. Verschnupft sagte er: „Hatte ’nen langen schwarzen Mantel mit Kapuze an. Mehr konnte ich nicht erkennen.“
Wie der Mann, der aus der Bruchstraße 13 floh, als Daniel mit Vincente und Schäfer davorgestanden hatte. Aber dann dachte er: Wie vermutlich unzählige Männer in ganz Köln.
„Dumm jelaufen“, äffte Gloria ihn nach. „Vielleicht war das nur der Schatten des Kerls, der umkam. Jawoll, nur ein Schatten.“
Auch das Szenario konnte sich Daniel vorstellen. Stefan Haas, der versuchte, einen Jungen einzufangen, den er bereits befingert hatte. Womöglich konnte sich das Opfer befreien und Haas musste ihn daran hindern, ihn an die Polizei zu verraten. Jäger oder Gejagter, welche Rolle hatte er eingenommen?
Dann erwähnte Theo etwas, das Daniel auf eine weitere Möglichkeit brachte. „Jeweint hat er. Sein Jesicht war janz nass.“
„Es regnet, du Ochse. Das ist das Zeug, was von oben kommt.“ Lachend klopfte sich Gloria auf ihren Schenkel, der unter ihrem Kleid nur zu erahnen waren. „Ist auch feucht.“
„Er hat jeheult, ich schwöre. Ich habe seine Augen nur einmal jesehen, nur kurz, aber das Licht aus dem Kiosk fiel auf sie.“ Theo schluckte mehrmals, bevor er fortfuhr. „Sie waren voller Schmerz und Verzweiflung, als wüsste er nicht mehr ein noch aus, als stünde er kurz davor, alles zu verlieren, als würde er sich mit etwas Jewaltigem herumquälen.“
„Das hast du alles in einer Sekunde in seinen Augen gelesen. Wo du doch nie liest. Du bist betrunken.“ Gloria machte eine Geste in Richtung Ausgang. „Geh heim und leg dich aufs Ohr. Aber du kommst doch morgen wieder, oder?“ Da er nicht antwortete, fragte sie, diesmal behutsamer: „Kommst du? Kriegst auch ein Brötchen mit Knoblauchwurst und Senf. Das magste doch gerne.“
Theo nickte geistesabwesend. Betroffen blickte er durchs Fenster auf den Gehweg, dorthin, wo er Stefan Haas,
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