Nr. 13: Thriller (German Edition)
zurückgekämmt. Eine Schildpattklammer hielt sie im Nacken zusammen. Leentjes Silberohrringe sahen so klein und so bescheiden aus wie sie selbst.
Daniel reagierte nicht auf die vermeintliche Anspielung. Denn eine Erinnerung schwemmte ihn gedanklich zurück in die Vergangenheit. Vor wenigen Tagen erst hatte er mit Vinzent Quast in diesem Raum gesessen.
„Hab mich für einen mit 0,4 Karat entschieden“ , hatte Vincente mit stolzgeschwellter Brust erzählt. „An die 5 000 Euro habe ich dafür hinblättern müssen. Aber die Kohle kriege ich bestimmt schnell wieder rein, denn Walter war der Start für ein neues Geschäftsmodell. Schon einige Kunden haben diesen Service in Anspruch genommen. Ein Paar legte sogar 20 000 hin, um einen Einkaräter zu bekommen.“
Für Daniel war das der Beweis, dass die Schusters Vincente beauftragt hatten, die Anfertigung der morbiden Edelsteine in der Schweiz zu übernehmen. Denn Quast hatte nur von einem einzigen Auftrag in dieser Größe gesprochen, eine Ausnahme, die die Schusters weitaus teurer zu stehen kommen sollte als 20 000 Euro. Daniel kannte auch den Grund, weshalb ihr Name nicht in seinen Unterlagen auftauchte. Die Sache war für Vincente zu heiß, um damit nachweislich in Verbindung gebracht zu werden. Wahrscheinlich hatte er schon unmittelbar nach der Transaktion im letzten Sommer alle Dokumente vernichtet. Die Firma in Chur jedoch arbeitete zu hundert Prozent legal und hatte alles vorschriftsmäßig archiviert. Aber Quast hatte einen Fehler begangen: Er hatte den echten Namen des toten Säuglings auf die Sterbeurkunde, die das Unternehmen Daniel per E-Mail zugeschickt hatte, geschrieben. Er war eben doch nicht so clever, wie er von sich dachte.
„So war das doch nicht gemeint.“ Schuster rutschte in seinem Stuhl tiefer.
„Sie haben auch solch eine Kette wie Ihre Ehefrau. Man könnte glatt meinen, es handelte sich um eine Art Paarschmuck, wenn da nicht …“ Daniel beendete den Satz absichtlich nicht. Geschickt schürte er die Nervosität der beiden.
„Was wollen Sie damit andeuten?“
„Verzeihung, aber Sie sehen nicht gerade wie der romantische Typ aus.“
„Lassen Sie solche Frechheiten!“
„Vinzent Quast.“ Daniel warf den Namen in den Raum und beobachtete mit Genugtuung, wie Friedrich erstarrte und Leentje rote Flecken auf dem Hals und den Wangen bekam. „Er würde gerne der Pate von Köln sein, ein großes Tier. Aber er ist kein Mafioso, nur ein kleiner Geschäftsmann, der knapp an der Illegalität vorbeischrammt und sie dann und wann auch schon mal übertritt.“
„Warum erzählen Sie uns das?“
„Er besitzt auch solch ein Schmuckstück.“
„Na und?“, stieß Schuster mürrisch hervor und prüfte, ob die Knöpfe an seinem Anzughemd geschlossen waren. „Das tun viele.“
„Ich kenne keinen Einzigen, bis auf Sie beide und Quast.“ Daniel stützte die Ellbogen auf den Armlehnen ab und legte die Fingerspitzen aneinander. „Sie etwa?“
Betretenes Schweigen setzte ein. Friedrich konzentrierte sich scheinbar vollkommen darauf, an der Knopfleiste auf und ab zu streichen, als wäre das das Wichtigste der Welt, und ging dann dazu über, den Sitz seines gestärkten Haifischkragens zu ertasten, bevor er die Ärmel seiner Jacke hochzog, um zu sehen, ob seine Manschettenknöpfe richtig saßen.
Sichtlich verärgert, weil, so vermutete Daniel, ihr Mann zuerst den Karren in den Dreck gesetzt hatte und ihn nun nicht wieder herauszog, schaute Leentje ihn an. Sie wischte sich den Schweißfilm von der Oberlippe. „Het edelsteen is geen bijzonderheid.“
„Aber Sie sagten doch eben, es handele sich um einen Einkaräter“, bohrte Daniel nach. „40 000 Euro für zwei Steine, das muss man sich mal vorstellen.“
„Eine Investition.“ Schuster zuckte mit den Achseln.
„Auch für Sie als Intendant ist diese Summe kein Pappenstiel. Warum haben Sie damit nicht die Hypothek auf Ihr Haus abbezahlt?“
„Sie haben in meiner Privatsphäre herumgestochert? Mit welchem Recht? Ich werde Sie verklagen, Sie und das ganze Präsidium!“ Vor Wut lief Schuster hochrot an. Als Leentje ihn erneut zu beruhigen versuchte, wehrte er ihre Hand recht grob ab. Erschrocken wich sie vor ihm zurück, so weit es ihr Sitzplatz zuließ.
Fürchtete sie sich etwa vor ihm? Daniel sah zu, während Schuster noch eine Weile tobte, und fragte sich, warum er derart aus der Haut fuhr. Der Intendant schien leicht in die Luft zu gehen. Ein Choleriker, nicht nur was den Disput mit
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