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Nr. 13: Thriller (German Edition)

Nr. 13: Thriller (German Edition)

Titel: Nr. 13: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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sei. Machten Kinderschänder das jedoch nicht üblicherweise? Weder hatte Roman ihm eingeredet, er hätte das Petting herausgefordert, noch hatte er ihm einen Maulkorb verpasst, indem er ihn bedrohte und ihm Angst einjagte. Im Gegenteil, er hatte sich entschuldigt und von aufrichtiger Zuneigung gesprochen. Konnte Benjamin ihm glauben?
    Nervös schaute er auf die Armbanduhr des Mannes neben ihm. Der Unterricht hatte vor zehn Minuten angefangen. Benjamin hatte die Wohnung von Marie und Daniel zur gleichen Zeit wie immer verlassen, vor der Haustür im Sekretariat des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums angerufen und sich krankgemeldet. Wie an jedem Wochentag fuhr er von der Südstadt in den Nordwesten Kölns, doch nicht Nippes war sein Ziel, sondern das benachbarte Stadtviertel.
    Wenn er nicht bald mit jemandem über „diese Sache“, wie er sie nannte, redete, würde er verrückt werden. Bloß mit wem? Er hatte keine Freunde, höchstens Bekannte, mit denen er ganz bestimmt nicht über solch ein intimes Erlebnis sprechen würde. Seine Eltern würden sich vor Gott und der Welt schämen und sich vermutlich sofort mit Rainer und Irene Bast treffen, um gemeinsam bei einem oder mehreren Gläsern Sherry darüber zu jammern, dass sie als Einzige in ihrem Bekanntenkreis von ihren Kindern nie Nachwuchs erwarten konnten. Marie und Daniel mochte er nicht mit seinen Problemen belasten, da sie an ihren eigenen zu ersticken drohten und zudem viel arbeiteten. Also blieb in Bens Augen nur eine einzige Person auf dem gesamten Erdball: Roman.
    Als er in Ehrenfeld ausstieg, merkte er, dass er vor Aufregung kurzatmig war, als wäre er 80 und nicht 18 Jahre alt, und nahm auf einer der Sitzmöglichkeiten an der Haltestelle Platz. Während er die Straßenbahnen kommen und abfahren sah, zweifelte er an seinem Vorhaben. Falls er tatsächlich nur ein weiteres Opfer von Roman war, war es dumm, zu ihm zurückzukehren. Konnte es sein, dass er am Stockholm-Syndrom litt?
    Was gäbe ich jetzt für einen Schluck Wodka! kam es ihm in den Sinn. Sehnsüchtig spähte er zum Kiosk an der Ecke der Parallelstraße. Aber so wie er Blunts und der Bong abgeschworen hatte, hatte er sich auch vorgenommen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Denn wenn er trank, wurde er lockerer, und wenn er lockerer wurde, war ihm alles egal und er würde der Versuchung zu paffen nicht widerstehen können. Sein Verstand gratulierte ihm zu seinem Durchhaltevermögen, aber ihm ging es scheiße dabei. Er war seinen Gefühlen hilflos ausgeliefert. Nichts konnte ihn beruhigen.
    Plötzlich sprang er auf. Das Mädchen, das neben ihm gesessen hatte, erschrak. Entschuldigend schenkte er ihr ein bemühtes Lächeln. Er rieb über seine Oberarme und stapfte durch den Schnee an der Trinkhalle vorbei. Träge schwebten dicke Schneeflocken herab und gaben der Parallelstraße der Bruchstraße einen weißen Anstrich.
    Als sich Benjamin daran erinnerte, wie er das erste Mal von hinten an die Nummer 13 herangeschlichen war, schnaubte er verächtlich. Er hatte sich für einen Superhelden gehalten, einen Normalo wie in den Filmen Kick-Ass und Defendor oder den realen Phoenix Jones, ohne besondere Fähigkeiten oder Waffen, einfach nur ein junger Mann, der mit seinem Mut für die Gerechtigkeit kämpfte. Doch nun hatte er erkannt, dass Schwarz nicht immer Schwarz und Weiß nicht Weiß war. Das Böse hatte er im Haus der Pädophilen nicht angetroffen, nur Männer, die ums Überleben kämpften, weil sie von allen Seiten angefeindet wurden.
    Sei nicht naiv! ermahnte ihn seine Vernunft, du bist missbraucht worden .
    Abrupt blieb Benjamin stehen. Sein Herz wummerte hart in seinem Brustkorb wie ein Technobeat. Er keuchte, als wäre er gerannt. Aus einem Impuls heraus, einem Anflug von Panik, drehte er um und lief zurück zur Kreuzung, wo er erneut stehen blieb, sich vorneigte, auf seinen Knien abstützte und nach Luft rang. Er beobachtete die Atemwölkchen aus seinem Mund. Dann schüttelte er den Kopf.
    Er war kein Opfer! Weder war er minderjährig noch hatte er nicht geahnt, was geschehen würde. Freiwillig hatte er stillgehalten, hatte es sogar herbeigesehnt, von Roman berührt zu werden. Es war unfair, Roman die Schuld zu geben. Niemand traf überhaupt eine Schuld. Es war gut so, es hatte passieren müssen. Roman hatte ihm gezeigt, wer er war, was er war. Tief in sich drin hatte er es bereits gewusst, aber erst durch ihn war die Erkenntnis in sein Bewusstsein getreten.
    Ben rannte zurück zum Hinterausgang. Der Schnee

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