Nr. 13: Thriller (German Edition)
kämpfte mit Worten und Intellekt, er hatte viel zu kleine Hände mit filigranen Fingern, die dazu gemacht waren, Buchseiten umzublättern und Gitarrensaiten zu zupfen – ganz im Gegensatz zu Uwe Beck. Dieser konnte nicht nur austeilen, er besaß zu allem Übel auch Nehmerqualitäten. Er steckte die wenigen Treffer von Roman weg und boxte sofort zurück. Seine Augen leuchteten und er grinste dämlich. Offenbar machte ihm die Prügelei sogar Spaß. Als seine Unterlippe aufplatzte und Blut über sein Kinn rann, scherte er sich nicht darum.
Benjamin ahnte, dass Roman nicht lange durchhalten würde.
Es sei denn, der Mob auf dem Bürgersteig durchbrach die Haustür.
Oder die Polizei kam bald, um Michael Engel zu suchen.
Oder Ben holte Hilfe.
Aufgeregt schaute er sich in dem kleinen Raum nach einer Waffe um. Entgegen seiner ersten Annahme war er nicht leer. An einer Wand stand ein schwarzer Metallschrank. Staubfäden verbanden ihn mit dem einfachen Aluminiumregal daneben. Auf dessen mittlerem Boden lag eine Rolle mit Mülltüten, die so schmutzig war, dass Ben die blaue Farbe nur noch erahnen konnte. Die Leuchtröhre in der Neonlampe an der Decke hing nur noch an einer Seite in der Fassung.
Eine dicke Staubschicht überzog die Werkbank unter dem zweiflügeligen Fenster. Die Scheiben waren mit alten Zeitungen beklebt, das Papier war gelbstichig und die Schrift verblasst. An einer Seite hatte sich das Klebeband gelöst. Eine Ecke des Sichtschutzes war heruntergeklappt, sodass etwas Helligkeit hereindrang. Da es draußen jedoch wie verrückt schneite, war das nicht viel.
Ben spürte seinen Puls an der Halsschlagader. Unangenehm stark pochte es dort. Als er sich auf den Tisch kniete und nach dem Fenstergriff langte, rutschte er ab, weil seine Handflächen schweißnass waren. Er fing sich ab, indem er sich auf der Tischplatte abstützte. Als er es erneut versuchte, klebte Dreck an seiner Hand. Ungehalten und fluchend zog er an dem Hebel, aber er ließ sich nicht bewegen. Er musste beide Hände benutzen, um ihn drehen zu können. Offenbar wurde der Raum seit einer Ewigkeit, vermutlich jahrelang, nicht mehr gelüftet.
Zitternd zog er am Griff.
Nichts rührte sich.
Er zerrte daran. Fester. Ungehalten.
Nichts.
Dass Gefühl, hier eingeschlossen zu sein, verstärkte sich. Eingesperrt mit einem Wahnsinnigen, der erst Roman und dann ihn fertigmachen würde. Selbst Benjamins Atem zitterte vor Aufregung und Bestürzung. Schnaufend untersuchte er den Rahmen nach einer Sperre, konnte aber keine entdecken. Das Fenster schien eingerostet zu sein oder hatte sich verhakt.
Oder die Pädophilen hatten es zugeklebt mit einem Industriekleber, Beton oder Silikon, kam es Benjamin in den Sinn.
Verzweifelt rüttelte er am Griff, er stieß tausend Flüche aus und fragte sich, warum die Angst ihn nicht stärker machte. Sollte sie nicht eigentlich ungeahnte Kräfte in ihm mobilisieren? Doch er fühlte sich schwach und wehrlos. Er kam sich unendlich dumm vor, weil er selbst die Schuld an der Gefahr trug, in der er sich befand. Beck würde ihn töten oder in dieses Lupanar bringen, was immer das war. Beides verursachte bei ihm Magenkrämpfe.
Ben schmeckte bittere Galle auf der Zunge, gab einen Laut der Verzweiflung von sich und rüttelte wie von Sinnen am Hebel.
Gerade als er einen Ruck spürte und Hoffnung in ihm aufkam, dass, was immer das Fenster festhielt, kurz davor stand, zu brechen, riss Uwe Beck ihn brutal an der Kapuze zurück. Schmerzhaft schnitt der Bund des Pullis in Benjamins Hals. Ein paar Sekunden lang bekam er keine Luft mehr. Der Schreck fuhr Ben in die Glieder und lähmte seine Gegenwehr ebenso sehr wie die Luftnot.
Aus einem Reflex heraus strampelte er mit den Beinen, fand jedoch keinen Halt. Als wäre er nur ein Sack mit Altkleidern, warf Beck ihn mühelos zu Boden. Dabei schlug Bens Hinterkopf gegen den Metallschrank. Es tat so weh, dass er im ersten Moment schwarz sah. Seine Glieder erschlafften. Wehrlos lag er da, wie ein hilfloser Käfer auf dem Rücken.
Mit aller Wucht trat Uwe Beck ihm in die Nieren. Benjamin krümmte sich zusammen, schloss unwillkürlich die Lider. Für ihn existierte nur noch der flammende Schmerz in seiner Seite.
Er merkte erst, dass bei seinem Sturz, den der Metallschrank aufgefangen hatte, eine der Schubladen aufgegangen war, als jemand ihn hochzog und er mit dem Schädel dagegenstieß. Aber es war nicht Beck, sondern Roman, der Ben auf die Füße half. Er sagte etwas, das Benjamin nicht
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