Nr. 13: Thriller (German Edition)
rutschte er ab. Es war nicht einfach, den Kuhfuß richtig anzusetzen. Er stocherte eine Weile herum, bis er eine Kerbe fand. Seine Finger drohten abzurutschen, weil sie feucht waren. Er musste fester zupacken. Mit einem Ächzen beugte er sich vor. Die Platte bewegte sich nicht.
Tomasz gab ein Zischen von sich, während Leander auf seiner Unterlippe herumkaute.
Im Sitzen war Daniel nicht in der Lage, die nötige Kraft aufzubringen. Er konnte nur die Armmuskulatur einsetzen und davon auch nur einen Bruchteil, weil seine Beine im Weg waren. Es kostete ihn Überwindung, seine Schenkel mithilfe der Hände zu spreizen, um sich dazwischen strecken zu können. Aber das brachte auch nicht den gewünschten Effekt.
Verärgert hob er die Stange an, um sie in die Ecke zu knallen. Im letzten Moment hielt er sich davon ab. Ein Wutanfall nutzte ihm auch nichts! Er war einfach zu schwach. Wenn jemand ihn angriff, konnte er seine Fäuste schwingen. Sein Trainer hatte ihm zudem Abwehrgriffe gezeigt. Diese beschränkten sich nicht nur auf seine Arme und seinen Kopf, den er seinem Gegner in den Magen rammen konnte, sondern auch sein Chopper konnte zur Waffe werden.
„Hör auf damit“, sagte Tom. „Das hat doch keinen Sinn. Du verrennst dich in etwas.“
„Lass mich das machen.“ Leander streckte die Hände aus, um das Brecheisen anzunehmen, doch Daniel hielt es fest.
Daniel wusste, dass seine Sturheit die Oberhand gewann. Er wollte das selbst hinkriegen. Nicht um den anderen etwas zu beweisen, sondern sich selbst. Noch steckte Saft in ihm drin. „Der Rollstuhl! Ich Idiot.“
Hastig setzte er das Eisen erneut an. Als es feststeckte, ließ er es los, legte die Hände an die Greifringe und fuhr quer über die Gedenkplatte. Fuhr weiter auf die Stange drauf. Sein kleinerer Vorderreifen rutschte ab und der Rolli drohte, zur Seite zu kippen. Fluchend setzte Daniel zurück.
Er musste von vorne anfangen. Musste sich darauf stärker konzentrieren, die Balance zu halten!
„Soll ich wirklich nicht …?“, setzte Leander an, aber Daniel winkte ungehalten ab.
Tomasz’ Worte bekräftigten ihn nur darin, es alleine schaffen zu wollen: „Dein Egotrip wird langsam peinlich für uns alle. Wenn du willst, kann ich dir auch beweisen, dass du falschliegst.“
Daniel ließ ihn nicht ran. Er befürchtete, dass Tom nur halbherzig an die Sache heranging und zu früh wieder aufhörte, und Leander, dünn wie er war, nicht die nötige Kraft besaß. Daniel dagegen hatte neben seinem Körper noch ein weiteres Gegengewicht: seinen Rolli. Mit großer Mühe blieb er in der Spur. Doch schließlich schaffte er es, mit den beiden rechten Reifen auf der Brechstange entlangzufahren. Immer höher. Am Ende rutschte er wie erwartet mit dem kleinen Rad ab. Diesmal jedoch hielt er seinen Chopper gerade. Durch Schaukeln brachte er sein Hinterrad noch höher. Millimeter für Millimeter. Keuchend verlagerte er sein gesamtes Körpergewicht auf die rechte Seite. Durch die Hebelwirkung wurde die Platte eine Handbreit angehoben. Plötzlich war ein entferntes Hämmern zu hören.
Scharf sog Leander die Luft ein.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, brüllte Tomasz. Sofort zog er seine Walther. „Wir haben sie.“
Als Daniel in den Spalt guckte, aus dem flackerndes Licht und Arbeitsgeräusche drangen, verlor er sein Gleichgewicht. Er war gezwungen, seine Position aufzugeben, um nicht umzufallen.
Scheppernd fiel der Kuhfuß auf den Boden.
„Ich hole Verstärkung und Kevlarwesten“, rief Leander im Laufen und hechtete bereits die Treppe hinauf.
„Dazu bleibt keine Zeit.“ Wie von der Tarantel gestochen preschte Tom heran. Er hebelte die Luke ganz auf und schob die Platte beiseite, sodass der Zugang offen lag. Schwer atmend bückte er sich und spähte in die Öffnung. „Die schlagen ein Loch in die Wand dort unten. Dahinter scheint ein Hohlraum oder so etwas zu sein. Die Schweine versuchen abzuhauen.“
In einer hilflosen Geste streckte Daniel die Hände nach Tom aus, um ihn aufzuhalten. „Warte! Du kannst da nicht alleine runter.“
„Engel zwängt sich schon da durch.“
Schweißgebadet und keuchend verfolgte Daniel, wie Tom die steinerne Treppe hinunterhastete. Er selbst konnte nicht mit seinem Rollstuhl hinterher. Die Treppe stellte eine unüberwindbare Barriere für ihn dar. In seiner Vorstellung zog er die Möglichkeit in Betracht, mit seinem Bock Stufe um Stufe auf den Hinterrädern hinunterzubalancieren. Doch das war illusorisch. Es war
Weitere Kostenlose Bücher