Nr. 13: Thriller (German Edition)
schon auf sicherem Terrain. Mit hochroten Wangen wollte er den Polizisten danken, verlegen bis ins Mark, aber da rasten sie schon in das römische Gewölbe hinunter. Weder warfen sie ihm komische Blicke zu noch machten sie spitze Bemerkungen. Stattdessen hoben sie einer nach dem anderen den Daumen, während sie an ihm vorbei nach unten stiegen, als würden sie vor ihm salutieren.
Sehnsüchtig schaute Daniel ihnen nach. Er hatte eine Ahnung, was dort unten los war, aber er wusste es eben nicht, und für einen Kommissar zählten nur Fakten.
Leander hob die Actioncam auf und trat beiseite, damit zwei Kollegen Uwe Beck verhaften konnten.
Daniel hatte nicht bemerkt, dass die Kamera vom Rollstuhlsitz gerutscht war. Dankend nickte er dem Hospitanten zu und hielt die Hände hin, um sie wieder an sich zu nehmen, doch Leander befestigte das Stirnband an seinem Kopf.
„Du willst Voigt doch wohl nicht die Genugtuung verschaffen, in deinem Bericht das Lupanar nicht beschreiben zu können, weil du keine Treppen steigen kannst. Das wäre ein gefundenes Fressen für ihn.“ Mit einem Zwinkern klappte Leander die Schutzbrille hinunter. Er schaltete die am Bügel befestigte Kamera ein und folgte den Kollegen ins Kinderbordell.
46. KAPITEL
An seinem Tablet-PC verfolgte Daniel, wie Leander die uralte Treppe überwand. Diesmal bewegte sich der Hospitant gemächlicher fort als im jüdischen Ritualbad. Er ließ seinen Blick langsamer umherschweifen. Keine hektischen Manöver. Kein plötzliches Drehen des Kopfes. Somit blieb das Bild, das die Actioncam auf den Computer übertrug, auch ruhiger. Hin und wieder verschwand es, weil die dicken Mauern das Übertragungssignal des Livestreams unterbrachen, aber nur für eine Sekunde. Dann war es wieder da. Mit all der Grausamkeit, die es offenbarte.
Daniels Handy klingelte. Erschrocken zuckte er zusammen. Die übertriebene Reaktion zeigte ihm, wie angespannt er war. Das, was er gleich zu sehen bekam, würde kein Zuckerschlecken sein. Leanders Name blinkte auf dem Display. Daniel nahm den Anruf an und schob seine Schreckhaftigkeit auf den Kampf mit Beck.
„Kein Vorratskeller.“ Mit diesen Worten meldete sich Leander. „Ich tippe auf den Teil einer römischen Kanalisation.“
Mit dieser Einschätzung lag er bestimmt richtig. Nicht mehr als zwei Polizisten konnten nebeneinander durch den Gang gehen. Es gab keine Lagerräume, nur einen schlanken Tunnel. Die Backsteine am Boden und das untere Drittel der Wand waren schwarz. Der Schein der aufgestellten Kerzen warf gespenstische Schatten der Kollegen an die Wände. Durch das Flackern zuckten die Silhouetten hin und her und führten einen bizarren Tanz auf.
„Halt! Was war das?“ Daniel winkte, um seinen Kollegen zurückzuscheuchen, kam sich dann aber blöd vor, weil dieser es natürlich nicht mitbekam, und ließ es bleiben. „Geh noch mal zurück, bitte.“
„Das wollte ich eigentlich vermeiden“, sagte Leander trocken und lachte dann nervös. „War nur ein Scherz! Das ist doch nur ein Fass mit Trinkwasser.“
Wohl kaum, dachte Daniel, denn ihm waren Mineralwasserflaschen aufgefallen, die am Abgang neben Körben und Tüten mit Lebensmitteln lagen. Warum hätten Beck und Engel Getränke mitbringen sollen, wenn sie doch Wasser hier unten hatten? Sie hatten ja unter einem enormen Zeitdruck gestanden. „In der Flüssigkeit schwimmt doch etwas herum.“
An Leanders Stelle hätte Daniel die Neugier dazu gebracht, schneller zu gehen, doch sein Kollege schlich sich ängstlich heran, als befürchtete er, der tote Roman Schäfer könnte herausspringen.
Plötzlich zuckte er zurück. Er zog den Ärmel des Anoraks über seine Hand und hielt diese vor Mund und Nase.
„Was ist los?“ Für Daniel war es schlimm, das Versteck nicht in 3D zu erleben. „Sag schon!“
„Das Zeug brennt in den Atemwegen.“
„Säure?“ Daniel bekam keine Antwort auf seine Frage, denn Leander neigte sich gerade über das Fass und erstarrte. „Was ist es?“
„Ich bin mir nicht sicher.“
„Leuchte mal mit deiner Taschenlampe rein.“
Als der Hospitant die Lampe anschaltete, zitterte der Lichtkegel, der auf die Flüssigkeit fiel. „Sind … sind das menschliche Überreste?“
Daniel murrte. Nun, im Lichtschein, sah er, dass neben den Knochen auch winzig kleine Fetzen in der Säure schwebten. Er vermutete, dass es sich um Gewebe handelte, das sich noch nicht vollkommen zersetzt hatte. Eine dunkle Ahnung machte ihm zu schaffen. „Ich glaube, wir haben
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