Nr. 13: Thriller (German Edition)
Verena Haas gefunden.“
„Überlassen wir das dem Erkennungsdienst und der Gerichtsmedizin.“ Leander wandte sich so rasch ab, dass das Bild auf dem Tablet-PC pixelig wurde.
Daniel meinte, Würgegeräusche über die Telefonleitung zu hören, konnte aber nicht erkennen, ob sie von Leander kamen, denn er hielt das Handy erst wieder an sein Ohr, als er zu dem Loch kam, durch das Michael Engel versucht hatte zu flüchten. Es befand sich in Hüfthöhe, hatte ausgefranste Ränder, was Daniel ableiten ließ, dass es planlos und spontan in die Wand geschlagen worden war. Außerdem war es so klein, dass ein Kind hindurchpasste oder ein Mann von schmächtiger Statur wie Engel, aber auch er hatte es nicht rechtzeitig geschafft, sich hindurchzuzwängen.
Wie Daniel durch Gespräche zwischen Tomasz und den Kollegen im Hintergrund mitbekam, hatte Tom erst mit Uwe Beck gekämpft. Als er jedoch bemerkte, dass Michael Engel bereits mit dem Oberkörper in der Öffnung verschwunden war, ließ er von Beck ab und wandte sich dem jungen Mann zu. Er zerrte ihn zurück in die römische Kanalisation und feuerte auf den flüchtenden Beck, der die Treppe hochstürmte. Doch er verzog den Schuss, da Engel sich in dem Moment auf ihn stürzte.
Forscher als zuvor leuchtete Leander in die Öffnung hinein. „Was für ein Gestank!“
„War das gerade eine Ratte?“
„Sie haben versucht, in die moderne Kanalisation zu flüchten.“
„Engel muss das Netz unter Ehrenfeld durch seinen ehemaligen Job bei der Stadtreinigung gekannt haben.“
„Dem Schutt und den Werkzeugen nach zu urteilen, waren Beck und Engel gerade dabei gewesen, die Wand zu durchbrechen, sind aber nicht weit genug gekommen.“
„Engel hätte sich mit ein paar Blessuren durchquetschen können. Aber für Beck war das Loch noch zu klein.“ Nicht sein übergroßes Selbstbewusstsein hatte den Sadisten dazu getrieben, zu versuchen, durchs Haus abzuhauen, wie Daniel zuerst gedacht hatte, sondern pure Verzweiflung.
Ein Quietschen war hinter Leander zu hören. Obwohl Daniel es nur über die Leitung vernahm, bekam er eine Gänsehaut. Scharniere, ahnte er.
Nachdem Leander sich herumgedreht hatte, fand Daniel seine Vermutung bestätigt. Die Kollegen öffneten die Zellen. Kleine vergitterte Ausbuchtungen. Hundezwingern ähnlich. Allesamt ausgestattet mit einem Wassernapf.
Es gab sechs Gefängnisse, jeweils drei auf der rechten Seite des engen Ganges und drei auf der linken. Früher, so mutmaßte Daniel, wurden darin Fässer zum Kühlen aufbewahrt. Die Pädophilen hatten die Kuhlen ausgeschabt, kleine Höhlen daraus gemacht und Gittertüren davor angebracht.
Das Lupanar war geboren.
Daniel erschauderte. Die Gänsehaut, die er bekam, blieb hartnäckig lange. Wie grausam musste es für die Kinder gewesen sein, in dem Gewölbe eingesperrt zu sein! Ohne Licht. Ohne Hoffnung, es jemals wieder zu verlassen. Ihren Wärtern hilflos ausgeliefert. Männer, die so viel stärker waren als sie. Verurteilte Sexualstraftäter. Sie hatten ihre Haftstrafen abgesessen, aber anders als Roman Schäfer waren sie keineswegs geläutert.
Langsam schritt Leander an den Nischen vorbei.
Nur drei der sechs Zellen waren belegt, doch das erleichterte Daniel nicht.
Ein Mädchen, vielleicht sechs Jahre alt, mit langen, verfilzten blonden Haaren, stürzte sich in die Arme einer Polizistin. Ihr hemmungsloses Heulen zerriss Daniel fast. Sie wollte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Die Kollegin bekam kaum noch Luft, so fest klammerte sich die Kleine an ihren Hals.
Ein weiteres Mädchen, das bereits an der Schwelle zum Teenager stand, verließ seinen Kerker mit einer starren Miene, die Daniel bestürzte. Sie wirkte hart, wie eine Soldatin, die die Kriegsgefangenschaft überlebt hatte. Die bereit war, mit aller Brutalität zuzuschlagen, sollte ihr noch einmal jemand ein Unrecht tun, und sei es nur, sich in der Warteschlange vor dem Kino vorzudrängeln. Ihre Wangen waren beschmutzt und Daniel schloss nicht aus, dass es sich um ihren eigenen Kot handelte. Wahrscheinlich hatte sie auf diese Weise versucht, die Pädophilen auf Distanz zu halten.
Die dritte Tür wurde geöffnet, aber niemand kam heraus. Als Leander in die Zelle hineinschaute, fing die Actioncam das Bild einer zusammengekauerten Gestalt ein. Sie saß in der hintersten Ecke, hatte die Arme um die angezogenen Beine geschlungen und den Kopf auf den Knien abgelegt. Als wollte sie sich so klein machen, wie eben möglich. Als bemühte sie sich, mit
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