Nr. 13: Thriller (German Edition)
dass Daniel hätte Genaueres erkennen können. Außerdem sah Leander zu abrupt weg. Das Bild fror einen Atemzug lang ein. Danach gab es bei der Übertragung intervallartige Verzögerungen, von denen Daniel Kopfschmerzen bekam. Immer, wenn der Fotograf eine Aufnahme machte, blitzte es wie bei einem Gewitter. Er trat zur Seite, damit Leander auf der engen Treppe an ihm vorbeikam, und wartete darauf, die Leiche abzulichten, nachdem sie geborgen worden war.
Daniel spürte die bedrückende Atmosphäre, obwohl er nicht einmal selbst dort unten war. Schnee bedeckte die Glaskuppel über der Mikwe. Kein Tageslicht drang hinein. Die Treppe, die außen am Schacht entlangführte, war schmal. Die Wände schienen immer näher zu kommen, je tiefer Leander hinabstieg, was vielleicht am Lichteinfall oder an der steigenden Nervosität lag. Es war merkwürdig, durch die drei Fensteröffnungen mit Rundbögen nicht ins Freie, sondern lediglich in den Schacht blicken zu können. Das verstärkte den Eindruck, diesen Ort nie wieder verlassen zu können.
Emsig glätteten die Kollegen vom Erkennungsdienst Spurfix- und Gelatine-Folien, um materielle und biologische Spuren zu sichern. Sie pinselten jeden Zentimeter der Wände mit Rußpulver ab, besprühten sie mit Ninhydrin und fanden unzählige Fingerabdrücke. Bei den Schuhabdrücken auf dem Boden sah es nicht besser aus. Er herrschte Chaos! Es waren einfach zu viele, die sich zudem überlappten. Die Apotheker-Briefchen, Pergamintüten und Plastikbeutel in ihren Koffern füllten sich immer mehr. Mithilfe von Luminol und Schwarzlicht suchten sie nach Blutspuren, gaben letztlich auf und nahmen eine Wasserprobe. Schließlich machte sich einer von ihnen auf, einen Spaten aus dem Auto zu holen, um damit den Sand am Eingangsbereich umzugraben, während der andere die Spurensuche am Beckenrand fortsetzte.
Tomasz stand auf der untersten Stufe und zeichnete eine Tatortskizze in seinen Notizblock. Das half ihm dabei, sich in den Täter zu versetzen.
Üblicherweise sprachen sie dabei über ihre Theorien, doch Daniel musste sich diesmal mit Leander begnügen. „Der Mörder hat ein ziemlich großes Ego.“
Erschrocken zuckte Leander zusammen. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Noch immer betrachtete er eingehend den Raum, aber nicht das Opfer. „Ja, er glaubt, wir kämen ihm nicht auf die Schliche, sonst hätte er sich einen unauffälligeren Ort ausgesucht.“
„So wird man nicht von heute auf morgen.“ Während Daniel seine Handflächen aneinanderrieb, blies er dagegen. Trotz seiner Lederhandschuhe fror er inzwischen. Er stand schon zu lange auf derselben Stelle. Selbst den verdammten Schal wünschte er sich in diesem Augenblick. „Ich vermute schwer, dass er weitere Verbrechen begangen hat, wahrscheinlich sogar Morde.“
„Und ist bisher immer damit durchgekommen“, führte Leander den Satz zu Ende. „Er muss antisemitische Gründe haben. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.“
„Ob das Opfer Jude ist, können wir erst feststellen, nachdem wir seine Identität geklärt haben. Aber wer auch immer es getötet hat, wollte auch diesen Ort beschmutzen.“
Die Kamera schwenkte herum, das Bild verschwamm. Wieder bewegte Leander seinen Kopf zu hastig. „Ich sehe keine Kratzspuren am Rand des Beckens, keine Kampfspuren und auch kein Blut, nicht einmal im Wasser.“
„Ziehe keine voreiligen Schlüsse“, warf Tom ein. Er blickte kurz in die Kamera und zog einen Mundwinkel hoch, was Daniel auf sich bezog. „Lass die Forensik erst die Spuren auswerten.“
Es überraschte Daniel selbst, aber er schlug sich auf die Seite des Hospitanten. „Auch für mich sieht es so aus, als wäre dies ein sekundärer Tatort.“
„Das Kind ist woanders getötet und hier abgelegt worden. Wozu der Aufwand?“, fragte Leander mit belegter Stimmte.
„Der Täter wollte, dass sein Opfer gefunden wird.“ Daniel winkte Abuu Beti zu, der endlich gehen durfte und erleichtert schien. „Ähnelt der Fall vielleicht anderen in letzter Zeit? Erinnerst du dich an was? Kommt dir das Vorgehen zufällig bekannt vor?“
„Nein, aber ich werde das prüfen.“ Da Leander einen Frosch im Hals zu haben schien, musste er sich erst räuspern, bevor er weitersprechen konnte. „Es könnte auch eine Warnung an jemanden aus der jüdischen Gemeinde sein. Oder an alle Mitglieder.“
Die Rechtsmedizin traf ein, musste aber noch warten, weil die Spurensicherung noch nicht fertig war. In Gedanken sah Daniel die
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