Nr. 13: Thriller (German Edition)
angeschnitten?“ Leanders Augen wurden groß. Er steckte sich das Kuli-Ende in den Mund und biss darauf herum.
„Dann wäre das Fahrzeug schon in der Tiefgarage, oder wo immer Gitte Hamacher geparkt hatte, explodiert. Die Kollegen glauben eher an einen Folgeschaden durch den Unfall.“ Fuchs winkte ab. „Und ihr seid schon das zweite Mal mit nichts in der Hand aus der Bruchstraße zurückkehrt.“
„So würde ich das nicht sagen!“, protestierte Daniel. Er fuhr so dicht an seinen Chef heran, dass seine Fußstützen beinahe dessen Unterschenkel berührten, und hob seinen Daumen an. „Es könnte einen Mord im Haus der Pädophilen gegeben haben.“ Um die Aufzählung seiner Pseudo-Argumente zu unterstreichen, nahm er den Zeigefinger hinzu. „Gitte Hamacher, die Tochter der Zeugin, könnte ermordet worden sein.“ Daniel spreizte zusätzlich den Mittelfinger ab. „Das Opfer in Nummer 13 könnte identisch sein mit dem in der Mikwe.“
Abwehrend riss sein Vorgesetzter die Hände hoch. „Ich höre nur ‚könnte‘. Weißt du eigentlich irgendwas bestimmt, Zucker?“
Daniel schüttelte den Kopf und biss für einen kurzen Moment die Zähne so stark zusammen, dass seine Kiefer schmerzten. „Aber ich möchte, nein, ich muss den Hinweisen trotzdem nachgehen, denn irgendwas stinkt hier so gewaltig, dass mir übel davon wird.“ Unbeabsichtigt sprach er lauter als nötig: „Die Pfeile zeigen alle zum Haus mit der Unglücksnummer. Sie mögen keine Spitze haben, aber die Richtung ist eindeutig.“
Fuchs schnaubte. „Und wie erkläre ich das Voigt?“
„Zeig ihm einfach Argument Nummer 3.“ Daniel machte eine Faust und ließ nur den Finger in der Mitte abstehen.
13. KAPITEL
Es freute Marie, dass Daniel und sie einen Weg gefunden hatten, wieder mehr miteinander zu reden: den Job.
Die Situation zwischen ihnen war weiterhin angespannt, aber sie hatten sich nicht mehr gestritten, wie an dem Abend, als der Syrah und der Zeitungsartikel über „Das Böse in Nummer 13“ sie aus der Bahn geworfen hatte.
Ihre Absätze klapperten auf dem Asphalt, als sie vom Parkplatz zum Eingang ihres Einsatzortes, den Daniel ihr am Morgen mitgeteilt hatte, schritt. Schneeflocken sammelten sich auf ihren Schultern, aber sie waren so wässrig, dass sie sofort schmolzen. Die dunklen Wolken ließen den Nachmittag wie Abend wirken.
Nun, wieder klar im Kopf, quälte Marie ihr schlechtes Gewissen, weil sie ihre Ehe mit Daniel infrage gestellt hatte. Belog sie sich nicht selbst? Tat sie das nicht immer noch? Nicht nur einmal hatte sie sich dabei ertappt, wie sie ihn beobachtete, ihn geradezu kritisch beäugte, prüfend. Sie tat das nicht bewusst, es passierte einfach.
Gedankenversunken wischte sie auf der Schmutzfangmatte die Stiefel sauber und trat in das Gebäude ein, das genauso alt wie seine Bewohner aussah.
Marie fühlte sich schlecht, elendig, wie eine Betrügerin, als hätte sie Daniel bereits im Stich gelassen. Es war ähnlich wie mit der Frage, wann Fremdgehen anfing. Erst, wenn man es tat, oder bereits, wenn man einen Gedanken daran verschwendete? War sie bereits dabei, sich von Daniel zu lösen, ohne es zu merken?
Begleitet von einem Seufzen, das tief aus ihrem Inneren kam, nahm sie die Mütze ab. Bei Problemen bekam sie immer Magenschmerzen. Sie öffnete ihren Mantel und rieb über ihren Bauch.
Während sie sich anmeldete und einer Altenpflegerin durch die Korridore folgte, versuchte sich Marie zu sammeln.
Sie wollte Daniel.
Aber sie wollte auch eigene Kinder bekommen.
Leider konnte sie nicht beides haben.
Über kurz oder lang musste sie sich entscheiden.
Überall roch es nach Desinfektionsmittel. Darunter mischte sich der Duft von Möhrengemüse und Marie fragte sich, ob er noch immer vom Mittagessen in der Luft lag oder das Abendessen bereits zubereitet wurde. Als sie in das Zimmer eintrat, gesellten sich der Geruch von Kaffee und der Passionsblume, die auf der Fensterbank stand, hinzu. Vielleicht nahm Marie die Gerüche aber auch nur verstärkt wahr, weil ihr ohnehin übel war.
„Guten Tag, mein Name ist Marie Zucker. Die Kriminalpolizei bat mich, nach Ihren Angaben ein Phantombild des Täters herzustellen, der in Ihrem Nachbarhaus eine Frau ermordet haben soll.“
„Ermordet hat “, korrigierte Elisabeth Hamacher und bleckte ihre nikotingelben Zähne. „Ich bin alt, aber nich deppert.“
Marie lächelte entschuldigend, schüttelte der Zeugin die Hand und zog sich rasch auf einen Stuhl zurück, um den
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