Nr. 13: Thriller (German Edition)
Information ihm Sicherheit. „Aber sobald du sie absetzt …?“
„Ich muss sie ein Leben lang einnehmen. Alle drei Monate wird die Spritze wiederholt. Dadurch habe ich ein paar Kilos zugenommen, aber das ist mir egal. Weitaus wichtiger ist, dass ich von dieser Geißel befreit werde.“
„Geißel?“ Ben kam sich schon vor wie ein Papagei.
„Ich meine damit die fehlgeleitete Lust.“ Mit den Fingern wischte Roman unsichtbare Tränen unter seinen Augen fort. „Zu keinem Zeitpunkt habe ich sie als Freude betrachtet. Sie ist eine Qual!“
So hatte Benjamin das noch nicht gesehen.
Kurz saugte Roman seine Unterlippe ein und biss darauf, als wollte er sich mit dem Schmerz selbst bestrafen. „Wie eine Sucht zwingt sie einen, dieser krankhaften Neigung nachzugehen. Obwohl man weiß, dass sie falsch ist, kann man sich nicht gegen sie wehren. Einmal habe ich sie dem Gefängnispsychologen gegenüber als Geschwür bezeichnet. Bedauerlicherweise kann es nur entfernt werden, indem ich sterbe.“
Erschrocken hielt Ben die Luft an. Mit solch einer krassen Aussage hatte er nicht gerechnet.
„Aber dazu bin ich nicht bereit.“
Geräuschvoll atmete Ben aus. Er fühlte mit Roman mit und konnte förmlich spüren, wie sehr er darunter litt, auf Kinder abzufahren.
„Deshalb die medikamentöse Kastration. Auf eigenen Wunsch. Sie unterdrückt den Sexualtrieb.“ Mit dem Blick eines verletzten Hundes sah er zu ihm auf. „Du bist also in Sicherheit vor mir.“
Benjamin lief hochrot an. Er empfand Mitleid und schämte sich dafür, Roman angeklagt zu haben, ihn verführen zu wollen. Dabei hatte er ihn zu keinem Zeitpunkt angegraben.
„Wenn ich das richtig mitbekommen habe, stehen noch Wohnungen frei. Vielleicht kann ich hier einziehen“, sagte Ben, nicht allein, um einzulenken, sondern er hatte einen Hintergedanken. Schließlich hatte er dieses düstere Gemäuer mit dem spinnwebenartigen Efeu aus einem bestimmten Grund betreten.
Romans Miene erhellte sich. „Mit 18. Ja, das würde mich sehr freuen. Im Moment wäre das nicht angebracht.“
„Warum nicht?“
„Abgesehen davon, dass du zu deinen Eltern zurückkehren solltest, ist es riskant, hier zu wohnen. Einige von uns befürchten, im Schlaf von den Nachbarn umgebracht zu werden, aber ich finde das übertrieben. Dennoch … wir werden beschimpft, zusammengeschlagen und geächtet. Das ist kein Ort für einen Teenager wie dich.“
„Und du gehst davon aus, dass sich das in drei Jahren ändern wird?“
„Ich hoffe es. Dafür bete ich.“
„Du bist religiös?“
„Ich bin Jude. Und du?“
„Neugierig auf die leer stehenden Apartments“, antwortete Benjamin ausweichend. „Kann ich sie sehen? Dann habe ich etwas, wovon ich träumen kann.“
Roman öffnete zwei Flaschen Bier, reichte Ben eine und stand auf. „Folge mir.“
Vor dem Rundgang stießen sie an. Benjamin hatte den Eindruck, dass diese Geste ihre Freundschaft endgültig besiegelte.
Roman war kein durch und durch guter Mensch. Aber wer war das schon? Er selbst ja auch nicht. Aber sein neuer Kumpel bemühte sich, besser zu werden, genau wie Ben auch. Sie waren sich ähnlicher, als Benjamin gedacht hatte.
Wohnung für Wohnung suchte er nach Hinweisen auf einen Mord ab, fand jedoch nichts. Vielleicht war die Zeugenaussage ebenso ein großer Irrtum wie seine Annahme, Roman wollte ihm an die Wäsche.
Als er sich später verabschiedete, war er müde. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. Gähnend reckte er sich und sah zum Himmel hinauf. Es hatte aufgehört zu schneien und es schaute sogar ein bisschen Blau durch den Wolkenteppich hindurch. Er fühlte sich nicht mehr ganz so einsam wie am Morgen.
Plötzlich hörte er Stimmen von jenseits der Hintertür. Zwei Männer stritten sich. Einer davon war Roman. Um besser zu hören, um was es ging, drückte Ben sein Ohr dagegen. Der andere Kerl musste dieser Haas sein. Oder vielleicht dieser Engel? Zu Beck passten die Worte jedenfalls nicht.
„Du darfst ihn nicht reinlassen.“
„Er sieht und hört nur das, was ich will.“
„Du glaubst, du hast immer alles unter Kontrolle, aber das hast du nicht.“
„Euch zum Beispiel nicht, das ist korrekt und ich bedauere es.“
„Du bringst uns in Gefahr.“
„Ihr geht ein viel größeres Risiko ein und ich war niemals damit einverstanden.“
„Mitgehangen, mitgefangen.“
„Willst du wieder in den Knast? Diesmal für immer wegen der Scheiß-Sicherheitsverwahrung?“
„Eben nicht. Deswegen sage ich ja:
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