Nr. 13: Thriller (German Edition)
saugten all seine Energie auf, sodass er nur schleppend vorwärtskam. Alles in ihm konzentrierte sich darauf, die Umgebung zu ignorieren, sodass er zuerst an Engels Patientenzimmer vorbeifuhr und umdrehen musste.
Erst als er vor dem Bett stand und Dienstausweis und Marke vorzeigte, fühlte er sich etwas besser. Er klammerte sich an die Routine seines Jobs, aber in seinem Inneren bluteten die alten Wunden wieder. „Kriminalhauptkommissar Zucker. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.“
„Das haben Ihre Kollegen doch schon.“
Verwirrt krauste Daniel die Stirn. Dann verstand er, worauf Michael Engel hinauswollte. „Nicht nur zu Ihrem … Unfall, auch wegen einer anderen Sache.“
„Was wirft die Bürgerinitiative mir jetzt schon wieder vor? Ich habe Chem net angerührt, ich schwör’s! Verfickte Scheiße, ich bin keine Schwuchtel. Bevor diese Spinner mir son Scheiß vorwerfen, hätten sie sich erst einmal schlaumachen sollen, was ich verbrochen hab. Aber so viel Grips habn die net.“
Daniel dagegen hatte dessen Akte studiert. Michael Engel stand nicht auf Jungen, sondern auf Mädchen, deshalb konnten die Vorwürfe nicht stimmen. Offenbar schreckte die Nachbarschaft nicht vor Verleumdung zurück. Fiel Elisabeth Hamachers Aussage in dieselbe Kategorie?
Eingehend musterte Daniel den Einundzwanzigjährigen und fragte sich, ob er ihm leidtat, weil Engel selbst ein Missbrauchsopfer war. Bleich wie das Laken unter ihm lag der junge Mann da. Seine Unterlippe war blutverkrustet. Vielleicht kaute er aus Nervosität darauf herum. Unentwegt bewegten sich seine Hände unter der Bettdecke. Löcher in den Ohrmuscheln, den Augenbrauen und der Lippe zeugten davon, dass er normalerweise Piercings trug, die man ihm vermutlich vor der Notoperation herausgenommen hatte.
Offenbar war Engel ein Nervenbündel. Möglicherweise hatte er aber auch Schmerzen. Unter dicken Verbänden musste sein Unterleib unnatürlich geschwollen und mit einem Netz aus OP-Nähten überzogen sein.
Sein Vater hatte ihn jahrelang missbraucht, genauso wie seine Schwester Anja, die drei Jahre jünger war als er. Als Michael 16 wurde, dachte Daddy, es wäre an der Zeit, dass er vor seiner Ausbildung zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice ein richtiger Mann wurde. Er forderte ihn auf, sich an Anja zu vergehen. Zuerst weigerte sich Michael. Doch ein Schlag in die Weichteile überzeugte ihn davon, ein gehorsamer Sohn zu sein. Beim ersten Mal klappte es nicht, hatte er bei seiner Verhaftung ausgesagt. Aber die Pubertät machte ihn leicht erregbar und sein Vater redete ihm ein, dass es okay wäre. Der Sex bliebe schließlich in der Familie, das wäre normal, alle machten das zu Hause. Obwohl etwas in ihm ahnte, dass das nicht stimmte, zählte der inzestuöse Sex für ihn schon lange zum Alltag. Außerdem wollte er nicht noch einmal zwischen die Beine geboxt werden, sondern endlich das machen, wovon er immer träumte, wenn er wichste. Und es tat Anja ja schließlich nicht weh. Wenn sein Daddy sie vögelte, lag sie ganz still da, als wäre sie tot. Aber das war sie nicht, denn sie starrte an die Zimmerdecke und ihre Brüste hoben und senkten sich sehr schnell.
Also vergriff er sich ebenfalls an seiner Schwester. Er gab zu Protokoll, dass er sich von da an wie ein richtiger Mann fühlte. Sein Vater packte ihn nicht mehr an, sah aber gerne zu, wenn seine Kinder sich lieb hatten.
Der familiäre Missbrauch flog erst auf, als Anjas After riss und sie notoperiert werden musste.
Kurz zuvor hatte sein Vater Anja vergewaltigt. Er forderte seinen Sohn auf, es ihm gleichzutun, weil die Kleine förmlich um mehr betteln würde, dabei schwieg sie wie ein Grab. Michael wollte nicht schon wieder als Schlappschwanz, Nichtsnutz und Schwächling beschimpft werden, denn das tat ihm ebenso weh wie die Prügel, daher gehorchte er. Aber er wollte, so stand es in der Fallakte, nicht dasselbe Loch benutzen und das Sperma seines Vaters am Schwanz haben, daher stieß er heimlich in Anjas Anus – was gehörig schiefging.
Sein Vater saß immer noch in Haft. Michael bekam als Opfer mildernde Umstände und wurde nach einem hervorragenden Gutachten bald wieder entlassen. Der Gutachter glaubte, dass Michaels Sexualität nicht generell auf Minderjährige fixiert wäre, sondern er als Teenager von seinem Erziehungsberechtigten manipuliert worden war. Er sei psychisch labil und leicht beeinflussbar.
In der Bruchstraße 13 hatte er ein neues Zuhause gefunden. Doch vor drei
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