Nuancen der Lust (German Edition)
unglücklicherweise als totale Enttäuschung entpuppt.
»Was soll das heißen?« Thea versuchte Bianca nachzuäffen: »Uuuuhh… was?«
»Das heißt: Oje, vielleicht hat er sich ja in Leonie verliebt und weiß nicht, wie er es dir sagen soll. Dir, seiner Lieblingsschülerin, die er nun leider extrem vernachlässigen muss.« Bianca zwinkerte Leonie zu. Sie schob sich die Weintraube zwischen die Zähne und kaute in übertriebener Weise darauf herum. »Darf er dann eigentlich weiter den Guru spielen, wenn er sich verliebt hat? Ich meine, was macht er denn für gewöhnlich mit seinen Kundinnen? Sie der Reihe nach flachlegen?«
Leonie musste zugeben, dass sie dieses Detail von Marcos Arbeit ebenfalls brennend interessiert. Sie war froh, dass Bianca zwanglos genug war, um solche Dinge anzusprechen. Sie selbst hätte vermutlich Stunden gebraucht, in denen sie nur herum gedruckst hätte, ehe sie endlich auf den Punkt gekommen wäre.
»Ach, was denkt ihr euch denn für Sachen aus!« Thea winkte ab. »Marco legt überhaupt niemals jemanden flach.«
»Aber …« Leonie suchte nach der richtigen Formulierung. Hatte er bei ihr etwa eine Ausnahme gemacht? Unmöglich. Er kannte sie doch kaum.
»Normalerweise tut er das nicht«, fügte Thea hinzu. »Die Leute kommen zu ihm, weil sie ein wenig Anleitung brauchen. Er führt sie mithilfe von Meditation und dem Aufzeigen ungewöhnlicher Praktiken und neuer Spielarten auf den Weg zur sexuellen Befreiung.«
»Aha«, meinte Bianca. »Kam mir bei unserer Gruppensitzung gar nicht so vor. Da wäre ich beinahe eingeschlafen, so langweilig war es. Da war nix von wegen sexueller Befreiung.«
»Das war doch nur, damit er sich Leonie erstmal etwas genauer ansehen konnte«, sagte Thea.
Bianca kniff die Augen ein Stück weit zusammen und schob das Gesicht vor, als könnte sie ihre Freundin nur sehr unscharf erkennen. Aber auch Leonie verstand noch nicht, worauf Thea hinaus wollte.
»Okay, ich gebe es zu.« Thea seufzte. »Mich wundert es ehrlich, dass ihr nicht schon längst darauf gekommen seid.«
Leonie betrachtete sie stumm. Konnte es sein, dass ihr Erlebnis mit Marco überhaupt kein Zufall gewesen war?
»Ja, ich habe die ganze Sache eingefädelt«, bestätigte Thea. »Süße, ich habe doch gesehen, wie schlecht es dir ging.« Sie bedachte Leonie mit einem mitleidigen Blick. »Und bei Marco hatte ich schon lange das Gefühl, er könnte der Richtige für dich sein. Nur, was seine Vorlieben angeht, da war ich mir nicht ganz so sicher. Aber offensichtlich macht es dir nichts aus. Du scheinst es zu genießen, habe ich Recht?«
»Ja, genau, sie sprüht vor Glück«, kommentierte Bianca. Sie lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück und begann, sich eine Weintraube nach der nächsten in den Mund zu schieben.
»Was sagst du, Leonie?«, fragte Thea. »Ist es eine Erfüllung für dich, wenn du mit ihm zusammen bist, oder nicht?«
Es war sogar mehr als das. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich Leonie vollkommen eins mit sich. Mit ihrem Körper und ihren Empfindungen. Als hätte sie nach einer langen Reise den Ort gefunden, an dem sie ihre Zelten aufschlagen wollte.
Dieser Abend sollte anders werden. Für ihr nächstes Treffen mit Marco suchte sich Leonie keine verruchten Kleidungsstücke aus. Sie wählte eine dunkelblaue Röhrenjeans und dazu ein hellblaues Oberteil mit Dreiviertelarmen. Auch Unterwäsche zog sie an. Ein ganz gewöhnliches, weißes Set, das nur mit einer Winzigkeit an Spitze besetzt war. Beinahe kam sich Leonie schon zugeknöpft vor, als sie in diesem Aufzug ihre Wohnung verließ.
Sie besuchte Marco nicht erneut in seinen »Schulungsräumen«, sondern hatte mit ihm über SMS einen anderen Treffpunkt vereinbart. In einem italienischen Restaurant wollten sie gemeinsam Pasta essen.
Die Situation war ungewöhnlich. Leonie fühlte sich wie bei ihrem allerersten Date. Nervös rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her, während Marco ihr freundlich lächelnd gegenüber saß. Scheinbar gab es nichts, was ihn aus der Ruhe bringen konnte. Er legte seine Hände auf die ihren und gab ihr auf diesem Weg ein Stück von seiner innerenAusgeglichenheit ab. Ihre angespannt durchgedrückten Schultern lockerten sich augenblicklich und sie hörte auf, herum zu zappeln.
»Schön, dass wir hier sind.« Wie ein sanftes Meeresrauschen klang seine Stimme in ihren Ohren. Etwas ähnliches hatte er auch am vergangenen Abend gesagt. Was dann geschehen war, daran dachte sie nun mit einem
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