Nubila 01: Das Erwachen
hinüber und Wut durchströmte sie. Seitdem Kathleen aufgewacht war, hatte sie nichts als Ärger gemacht. Sie war stur, besserwisserisch und gliederte sich nicht ein. Nichts hatte bisher geholfen. Violette hatte sie zurechtgewiesen, ihr Strafen auferlegt und sie auspeitschen lassen. Und dennoch war Kathleen kein Stück von der Art und Weise abgewichen, wie sie ihr Leben führte. Es war so ungerecht. Nicht genug, dass eine Dienerin eine bessere Beziehung zu Jasons einziger Tochter hatte als sie, sie machte ihr auch noch die Aufmerksamkeit von dem einzigen Mann streitig, dessen sie sich immer hatte gewiss sein können. Jason.
Violette hatte Jason immer vergöttert. Seit seiner Geburt hatte sie an ihm gehangen und daran hatte sich seither kein bisschen geändert. Und statt hinter ihr zu stehen und sie zu unterstützen hatte sich ihr Bruder nun dazu entschieden, einer Dienerin zuzugestehen sämtliche Regeln zu brechen und einfach so zu leben, als wäre sie eine von ihnen.
Violette schüttelte grimmig den Kopf. Jason würde schon noch sehen, was er davon hatte. Violette war klar, dass ihr Bruder vor gar nicht langer Zeit seine Frau verloren hatte, aber das war noch lange kein Grund deshalb zu vergessen, wer er war. So ein Verhalten würde bestimmt nicht ohne Konsequenzen bleiben und wenn es soweit war, dann würden sie wahrscheinlich alle für Jasons Dummheit bezahlen müssen.
„ Laney!“, rief Kathleen, während sie sich suchend auf dem Waldweg umsah, wo sie das Mädchen vor wenigen Sekunden noch gesehen hatte. „Verdammt, wo bist du.“
Sei nicht unhöflich , hörte Kathleen Laneys innere Stimme in ihrem Kopf und drehte sich misstrauisch hin und her.
„ Wo bist du?“, fragte Kathleen wütend, weil sie das Kind nicht entdecken konnte.
Sieh mal nach oben , verlangte Laney und Kathleen gehorchte sofort.
„ Aha“, sagte sie und verschränkte die Arme. „Da treibt sich die junge Prinzessin also herum. Komm sofort hier runter.“
Laney hing kopfüber an einem Baum und schwang sich übermütig hin und her.
Versuch doch mich zu fangen.
„ Du weißt genau, dass ich das nicht kann.“
Aber du kannst es versuchen.
„ Um mich zu blamieren? Von wegen.“
Angsthase, Pfeffernase, Morgen kommt der Osterhase.
„ Den Spruch hast du von mir.“
Stimmt. Na und?
„ Komm runter, Laney. Und hör auf laut zu denken. Das macht einen ja ganz kirre.“
Du bist ja nur eifersüchtig, weil du das nicht kannst.
Kathleen stutzte einen Moment. Wahrscheinlich stimmte es, dass sie Laney darum beneidete, dass sie gleich mehrere besondere Talente zu haben schien, während Kathleen selber überhaupt nichts besonderes konnte, aber es war nicht so dass sie es dem Kind missgönnte. Laney war zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens geworden und Kathleen konnte sich ein Leben ohne sie schon gar nicht mehr richtig vorstellen.
„ Komm schon, Laney“, wiederholte Kathleen. „Cynthia macht sich schon Sorgen um dich. Sie hat mich geschickt, um dich zu suchen.“
Laney schwang sich den Stamm wieder hoch und verschränkte ihre Beine und Arme so um den Ast, dass sie nicht fallen konnte und trotzdem zu Kathleen hinuntersehen konnte.
Kathy, kann ich dir was erzählen, ohne dass du sauer wirst?
Kathleen zuckte mit den Schultern. Sie hatte sich an ihre einseitigen Dialoge mit Laney inzwischen längst gewöhnt und fühlte sich dabei nicht mehr unwohl.
„ Klar“, sagte sie. „Hast du wieder etwas angestellt?“
Ja, aber das ist schon eine ganze Weile her.
„ Schieß los.“
Ich habe Angst, dass du mich nicht mehr magst, wenn ich es dir sage.
Verwundert zog Kathleen die Augenbrauen zusammen. Was sollte es schon geben, dass sie dazu bringen könnte, Laney nicht mehr zu mögen?
In der Nacht wo du verwandelt wurdest …, begann Laney und stockte dann.
Kathleen bekam automatisch ein ungutes Gefühl bei der Sache und war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte was Laney zu sagen hatte.
Es war nicht Daddy, der dich gebissen hat. Das war ich.
Kathleen fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Sie wusste nicht genau was sie erwartet hatte, aber das war es sicherlich nicht gewesen. Einen Augenblick lang war sie vollkommen sprachlos und starrte ungläubig in Laneys Gesicht. Der Ausdruck des Mädchens wirkte ängstlich und schuldbewusst. Sie meinte es tatsächlich ernst.
Wut durchfuhr Kathleen.
„ Das sagst du mir JETZT?“, fragte Kathleen grimmig.
Bitte sei nicht böse , flehte Laney und sah sie
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