Nubila 01: Das Erwachen
Sonne gelegt, damit sie wieder auftaute. Jason wusste, dass er dieses Risiko nur eingehen konnte, weil sie Wärme brauchte. Wärme, ohne die sie sterben würde.
Jason hatte gewusst, dass Theodor sie in die Kammer bringen würde. Theodor hatte das zwar nicht eindeutig gesagt, aber irgendwie war es Jason trotzdem klar gewesen. Es gab mehrere Möglichkeiten einen Diener zu töten, und ihn einzugefrieren und dann zu zersplittern war nur eine davon. Aber es war eine der sichersten Methoden und Jason ging davon aus, dass Theodor kein Risiko eingehen wollte. Kathleen hatte ihn an der Nase herumgeführt und ihm viel Ärger gemacht. Und falls Theodor jemals dazu imstande sein sollte zu beweisen, dass Jason Kathleen befreit hatte, dann würde er mehr Ärger bekommen als jemals zuvor in seinem Leben. Aber er hatte den Gedanken nicht ertragen Kathleen einfach sterben zu lassen. Es war falsch gewesen was sie getan hatte, aber sie hatte einen verdammt guten Grund dafür gehabt. Bei dem Gedanken daran, was man mit Laney angestellt hatte verspürte er ja selber eine gigantische Wut in sich aufsteigen. Und Kathleen war so viel hitzköpfiger als er selber.
Kathleen lag vollkommen still in der Sonne und wirkte dabei wie eine wunderschöne Marmorskulptur. Ihr hellblondes, langes Haar umrahmte ihr feines Gesicht und ihre Mundwinkel waren vollkommen entspannt. Nichts deutete darauf hin, dass sie noch am Leben war. Langsam begann Jason sich Sorgen zu machen. War er etwa zu spät gekommen? War es bereits zu spät für Kathleen?
Doch dann, begann kaum merklich ein leichter Dampf von Kathleens Haut aufzusteigen und Jason vernahm ein leichtes zischen. Erleichtert atmete er aus und hielt eine zweite Wolldecke bereit, um Kathleen damit von der Sonne abzuschirmen, sobald die UV-Strahlung anfing sie zu verletzen.
Doch bevor er auch nur einen Schritt auf sie zumachen konnte, riss Kathleen plötzlich die Augen auf, sprang mit einem Satz nach oben und stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus.
Jason fing sie ab, bevor sie kopflos davon laufen konnte und hüllte sie in die Wolldecke ein, um ihre nackten Hautstellen vor der Sonne zu schützen. Sofort beruhigte sich Kathleen wieder und sah reuevoll unter der Decke hervor zu ihm nach oben.
„ Herr…“, begann sie, brach aber dann ab, weil sie nicht wusste was sie eigentlich sagen sollte.
„ Komm, Kathleen“, sagte Jason und führte sie zu seinem Auto mit den verdunkelten Scheiben. „Wir müssen hier fort.“
Während der Fahrt verhielt Kathleen sich ungewöhnlich ruhig. Sie traute sich nicht Jason anzusehen und er wiederum schien sich zumindest dem äußeren Anschein nach auf das Fahren zu konzentrieren. Kathleen hatte keine Ahnung, wo sie hinfuhren. Die Gegend kam ihr nicht bekannt vor und die Bäume sahen alle gleich aus, sodass es schwierig war sich zu orientieren. Die Trauer um Laney schnürte Kathleen immer noch die Kehle zu, aber inzwischen sah sie ein, dass sie alleine nichts würde erreichen können. Es war töricht von ihr gewesen, einfach davon zu laufen und inzwischen war ihr klar, dass die ganze Aktion von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Vielleicht konnte Jason über seine Kontakte etwas erreichen, aber wenn die Ältesten etwas haben wollten, dann bekamen sie es offensichtlich auch.
Als Jason schließlich hielt war die Sonne bereits wieder untergegangen und Kathleen wagte es zum ersten Mal seit Stunden Jason wieder ins Gesicht zu sehen.
„ Herr, ich…“, begann Kathleen. „Es tut mir leid.“
Jason schüttelte langsam den Kopf und wirkte dabei unendlich traurig.
„ Nein, Kathleen“, sagte er. „Mir tut es leid. Es tut mir leid, dass ich dir nicht von Anfang an gesagt habe, dass Laney es war, die dich verwandelt hat. Simon hat mir davon erzählt, dass du es durch meine Tochter erfahren hast und das wäre vollkommen unnötig gewesen. Es tut mir auch leid, dass ich es nicht geschafft habe Laneys Vertrauen zu verdienen und sie mir deswegen nie gesagt hat, dass sie eine Gabe besitzt. Und es tut mir vor allem leid, dass ich nicht da war, als man Laney geholt hat und dass ich nichts dagegen tun konnte. Aber es tut mir fast noch mehr leid, dass ich dich jetzt bitten muss zu gehen.“
Kathleen sah Jason einen Augenblick lang sprachlos an und spürte dann Panik in sich auflodern.
„ Ihr wollt mich hier lassen?“, fragte sie erschrocken und spähte in die Dunkelheit. „Ihr wollt mich aussetzen, wie einen Hund, den man nicht mehr haben will?“
Böse
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