Nubila 05: Die letzte Schlacht
Marlene hatte sie eigentlich in erster Reihe zu stehen.
Liliana missachtete die Blicke der Umstehenden und bahnte sich ihren Weg nach vorne, bis sie neben Akima zum Stehen kam. Alle Blicke waren auf den Altar gerichtet, wo Marlenes Körper ausgestreckt lag und mehrere Schläuche mit Blut in ihren Mund führten. Ein Chor aus Kaltblütern stand an der Seite und sang für die Älteste, um ihr den Weg zurück in diese Welt zu erleichtern.
„Es ist vollbracht“, flüsterte Liliana in Akimas Ohr. „Sie ist wieder dort, wo sie uns am meisten nützt.“
Akima antwortete nicht, sie sah Liliana auch nicht an, sondern starrte weiterhin zu dem Altar. Doch Liliana war sich sicher, dass sie sie trotzdem gehört haben musste, denn sie lächelte.
„Sie hat sich also geweigert, zu kommen?“, fragte Marlene enttäuscht und zog den Morgenmantel enger um sich.
Nach einer langen Dusche hatte sie sich ein Handtuch um die Haare gewickelt und saß nun erschöpft auf dem Bett, um sich Akimas Bericht anzuhören. In zehn Jahren konnte viel geschehen, und Marlene hatte zumindest die leise Hoffnung gehegt, dass es nicht nötig sein würde, Krieg zu führen, oder dass der Krieg bei ihrer Erweckung bereits vorbei sein würde.
Akima zog eine Augenbraue nach oben.
„Das kann dich doch wohl nicht wirklich überraschen, oder?“, fragte sie.
Marlene schüttelte den Kopf.
„Nein“, gab sie zu. „Wohl kaum. Trotzdem bin ich enttäuscht.“
Das entsprach der Wahrheit. Laney war Karas einzige Tochter, und Marlene hatte Kara von ganzem Herzen geliebt. Sie hatte gehofft, dass Laney und ihre Familie mit der Zeit einsehen würden, dass Laney als Vertreterin der Ältesten sehr viel mehr für die Welt der Vampire leisten konnte, als wenn sie sich mit irgendeinem Mann verband. Doch offenbar waren weder Jason noch Laney zur Vernunft gekommen, dabei war es doch nun wirklich keine Strafe, mit Macht überschüttet zu werden.
„Laney ist ein egoistisches Kind“, erklärte Akima. „Sie käme nie auf die Idee, sich freiwillig mit dir zu verbinden, insofern ist es wohl besser, dass wir es nicht geschafft haben, sie in die Finger zu kriegen. Sie wäre nie eine gute Beraterin geworden und hätte nur Ärger gemacht. Am Ende wäre noch dasselbe mit ihr geschehen wie mit Kara.“
Die Erinnerung versetzte Marlene einen Stich. Sie hatte den Tod ihrer Tochter nie ganz verwunden und war immer noch wütend auf Jason, weil er Kara nicht hatte beschützen können.
„Was gibt es sonst Neues?“, fragte Marlene, um sich abzulenken.
Sie war immer noch erschöpft von der Erweckung, aber sie wollte zuerst über alles informiert sein. Schlafen konnte sie später.
„Darrek hat die Seiten gewechselt“, erklärte Akima mit kaltem Blick. „Er wollte sich dem Feind anschließen, aber es ist uns gelungen, ihn wieder zurückzuholen. Jetzt wird er zwar nur noch unter meinem Befehl gehorchen, aber das ist immer noch besser als gar nicht.“
Erstaunt blickte Marlene ihre Schwester an.
„Darrek wollte sich den Aufständischen anschließen?“, fragte sie. „Aber … Warum? Das passt so gar nicht zu ihm. Ich hätte es für wahrscheinlicher gehalten, dass er wieder zu den Outlaws geht.“
„Oh. Dort war er auch. Aber nur, um sie gegen uns aufzuhetzen und sie dazu zu bringen, die Kaltblüter im Kampf gegen uns zu unterstützen.“
Marlene nickte.
„Er hasst uns von ganzem Herzen“, stellte sie fest. „Das ist bedauerlich.“
„Bedauerlich?“, zischte Akima. „Das ist ungeheuerlich. Dieser undankbare Bastard ist zu nichts zu gebrauchen, wenn man ihn nicht kontrolliert. Er schreit regelrecht danach, von mir gelenkt zu werden. Aber wenn ich es tue, dann beschwert er sich.“
Marlene schüttelte den Kopf.
„Trotzdem ist es traurig“, sagte sie ernst. „Wir haben es nicht geschafft, unsere Kinder zu dem gleichen Zusammenhalt zu erziehen, der auch zwischen uns Schwestern besteht. Die Einzigen, die immer noch zu uns halten, sind Tristan, Raika und ein paar von Noemis Nachkommen. Meine und deine Kinder beziehungsweise unsere Enkel hingegen …“
Sie brach betrübt ab.
„Du musst wirklich noch sehr müde sein, Schwester“, stellte Akima fest. „Ich glaube, du hast noch Probleme, klar zu denken. Nicht wir sind es, die sich Vorwürfe machen müssen. Unsere Nachkommen sind einfach undankbar, und ich wäre wirklich nicht traurig darüber, falls Darrek und Laney diesen Krieg nicht überleben sollten.“
Marlene sah auf.
„Du willst diesen Krieg also
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