Nubila 05: Die letzte Schlacht
Wangen hinab. Ihre Schwester saß einige Meter weiter und starrte wie hypnotisiert an die Wand. Ein junger Mann stand ganz in ihrer Nähe und wirkte so verloren, als hätte er keine Ahnung, wie er überhaupt in diese Situation hinein geraten war. Sie waren beide nur leicht bekleidet und wiesen ebenfalls einige Brandwunden auf. Es war aber nicht annähernd so schlimm wie bei dem anderen Mädchen.
„Alexander, brauchst du Hilfe?“, fragte Jason als erstes.
Alexander nickte langsam.
„Ja“, gab er zu. „Das hier übersteigt meine Fähigkeiten. Wenn ich sie heile, werde ich selbst zu viel Kraft verlieren. Ich brauche Antonios Hilfe.“
„Warum nicht lieber die von Anisia?“, fragte Jason geistesgegenwärtig. „Das ist die Heilerin der Outlaws, und Laney hat mir erzählt, dass sie jemanden in Heilschlaf versetzen kann, ohne selbst dabei Kraft zu verlieren.“
Alexander nickte.
„Dann sag Thabea, sie soll sie herholen. Schnell. Das Mädchen wird zwar nicht sterben, aber sie muss furchtbare Schmerzen leiden.“
Alexander warf dem zweiten Mädchen einen bösen Blick zu, als wäre es allein ihre Schuld, dass ihre Schwester zu leiden hatte.
„Wie konnte das nur passieren?“, fragte er.
Zum ersten Mal kam Leben in das blonde Mädchen. Sie räusperte sich und sah ihre Schwester ganz bewusst nicht an.
„Sie … sie hat versucht sich umzubringen“, erklärte das Mädchen. „Sie war schon immer neidisch auf meine Beziehung zu Daniel. Ich … Ich fürchte, sie hat ihn wirklich auch geliebt. Und vorhin … ich weiß nicht, sie hat einfach den Verstand verloren. Sie kam in das Zelt und hat uns beschimpft. Dann hat sie sich ausgezogen und ist nach draußen gestürmt. Es war gar nicht so einfach, sie wieder ins Zelt zu kriegen.“
Sie senkte den Kopf, und Alexander sah zu Jason und Kathleen hinüber, wobei sein Blick besonders lange an Kathleen hängenblieb.
„Das hier ist eindeutig eine Tragödie“, erklärte er. „Was mich daran allerdings stutzig macht ist die Tatsache, dass nur eine Schwester schwer verletzt am Boden liegt und nicht beide.“
„Wie meinst du das?“, fragte Jason irritiert.
„Kathleen weiß bestimmt, wie ich das meine“, sagte Alexander streng. „Die Beiden waren verbunden. Das weiß ich ganz genau. Wenn der Eine Schmerzen spürt, dann spürt der Andere sie auch. Es sei denn …“
Kathleen spürte ein eisiges Gefühl in sich aufsteigen, das nicht von ihr selber stammen konnte, und machte sich innerlich bereit.
„Die beiden waren verbunden?“, fragte Jason grimmig. „Das bedeutet also, dass sie wieder getrennt wurden?“
Er warf Kathleen einen so bitterbösen Blick zu, dass diese automatisch zur Seite blickte. Doch bevor Jason mit seinem Donnerwetter richtig anfangen konnte, wurden sie alle durch Geräusche von draußen abgelenkt.
„Lass uns durch, Harold“, forderte Laney lautstark. „Ich will helfen.“
„Und ich verlange zu wissen, was auf unserem Gelände vor sich geht“, setzte Doreen hinzu.“
„Kein Wort“, raunte Jason und ging nach draußen.
Kathleen folgte ihm betreten. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Nicht Jason gegenüber, sondern wegen der beiden Mädchen, denen sie eigentlich nur hatte helfen wollen.
Draußen war der Teufel los. Warmblüter und Kaltblüter drängten sich um die Absperrung, und Harold konnte froh sein, dass einige seiner Soldaten herbeigeeilt waren, um ihm zu helfen, sonst wären die Schaulustigen wohl kaum zu bändigen gewesen.
„Jason, Jason!“, rief Doreen, als sie ihren Sohn aus dem Zelt kommen sah. „Was ist hier los, und warum lässt dieser Muskelprotz uns nicht durch?“
„Es ist alles in Ordnung, Doreen“, versicherte Jason seiner Mutter und hob beschwichtigend die Hände. „Wir haben alles unter Kontrolle. Und es ist wirklich keine Hilfe, wenn ihr alle das Zelt niederreißt.“
„Wenn alles in Ordnung ist, warum hat dann jemand so geschrien?“, fragte Laney misstrauisch.
Sie stand mit ihren Großeltern hinter der Absperrung und sah zwischen dem Zelt und ihrem Vater hin und her.
„Also gut. Hört zu. Es hat einen Streit unter Liebenden gegeben und der ist eskaliert. Aber Thabea holt bereits Anisia, und dann wird alles wieder gut. Alexander kommt wunderbar damit klar. Keine Sorge, Mutter. Ich regle das schon.“
Doreens Mund formte sich zu einem Strich und sie funkelte ihren Sohn böse an, weil sie es hasste daran erinnert zu werden, dass sie seine Mutter und nicht seine Schwester war. Es war der
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