Nuerburghoelle
beschäftigen.« Er würde sich raushalten aus dieser, seiner Meinung nach abwegigen Geschichte.
Nach fast zwei Stunden gab die Polizei die Unfallstelle frei. Oder sollte er doch Tatort sagen? Böhnke verkniff sich die Frage. Das war nicht sein Thema. Die Kollegen würden wissen, was sie zu tun hatten und was sie für richtig erachteten.
Die Fahrer sollten sich in langsamer Fahrt zum Fahrerlager begeben, bestimmten die Streckenposten. Dort sollte es in 45 Minuten eine Besprechung geben und eine Entscheidung, wie es mit dem Rennen weiterging.
Auf Krupps Frage, wann sie zum Wagen des Fahrdienstes zurückgehen würden, antwortete Böhnke nur mit einem trockenen: »Warum?« Krupps irritiert fragenden Blick nahm er leicht schmunzelnd zur Kenntnis.
»Du Nase. Warum sollen wir hingehen?« Bahn sprang Böhnke zur Seite. »Der kommt doch eh bei uns vorbei. Wir müssen nur noch einsteigen. Oder glaubst du etwa, der fährt als Einziger gegen die Fahrtrichtung zum Ziel?«
Wenige Minuten später saßen sie im Wagen 13 des Fahrdienstes und reihten sich in die lange Schlange der Fahrzeuge ein, die langsam zum Fahrerlager zurückfuhr. Schweigend stierten die Männer vor sich hin. Sie konnten nichts sagen in ihrer Betroffenheit oder wollten nichts sagen wie Böhnke, der sich noch einmal Bahns Behauptung wegen eines Anschlags durch den Kopf gehen ließ. Wahrscheinlich, so schloss er, hatte Bahn überreagiert, hatte es ein durch ein Steinchen verursachtes Loch im Blech gegeben und waren die vermeintlichen Schüsse keine Schüsse gewesen, sondern hatten technisch-physikalische Ursachen auf der Rennstrecke gehabt.
Stumm lief er hinter den beiden Journalisten her, als sie dem großen Saal im Medienzentrum zustrebten, in dem die Rennleitung mit den Teilnehmern über die Fortführung des Rennens diskutieren wollte; wobei es eigentlich gar keine Diskussion gab, wie Böhnke schnell erkannte.
Die Meinung der meisten Rennfahrer stand fest: Es hatte sich um einen, wenn auch tragischen Rennunfall gehandelt, der immer wieder und überall vorkommen kann. Ein Rennabbruch könnte deshalb kein ernsthaftes Thema sein. Es wurde allenfalls darüber geredet, ob man nicht aus Respekt und im Gedenken des Verstorbenen eine halbe Stunde in mäßigem Tempo ohne Überholvorgänge über den Ring fahren sollte. Für diesen Vorschlag fand sich jedoch keine Mehrheit der über 100 Anwesenden. Die meisten Teams wollten wieder ungehindert hinaus in die grüne Hölle.
»So ist halt die Welt«, kommentierte Bahn das ihn nicht befriedigende Ergebnis. »Über die tatsächlichen Gründe, weshalb das Rennen fortgesetzt werden muss, wird nichts gesagt.« Die Sponsoren und die Fernsehanstalten hätten doch schon längst entsprechend interveniert. »Da müssen die einfach weitermachen«, behauptete er.
»Aber ohne uns«, meinte Krupp. »Ich fahre nach Hause. Ich würde auch abhauen, wenn unsere Kiste wieder flottgemacht werden könnte. Ich habe die Schnauze voll.«
»Ich auch. Ich mache den Abflug nach Düren«, ergänzte Bahn. »Unser Teamchef nimmt mich mit. Sorry für Sie, Herr Böhnke, dass Ihr Rennwochenende, auf das Sie sich bestimmt so sehr gefreut haben, derart bescheiden ist. Aber dafür kann man wirklich nichts.«
Böhnke kam sich einigermaßen verlassen vor, nachdem sich Bahn und Krupp von ihm verabschiedet hatten. Wenig begeistert schlenderte er zum Hotel zurück. Für ihn machte es jetzt noch weniger Sinn, auf dem Nürburgring zu bleiben, als es ohnehin fast keinen Sinn für ihn gehabt hatte, überhaupt herzufahren. Er würde Lieselotte bitten, mit ihm nach Huppenbroich zurückzukehren.
»Ich wüsste nicht, was ich lieber täte«, meinte sie zu seiner Bitte, als sie endlich den wartenden Böhnke nach ihrem ausgiebigen Besuch des Wellness-Bereichs erlöste. Von dem schrecklichen Geschehen auf der Rennstrecke hatte sie nichts mitbekommen und sah sich nach seinem Bericht in ihrer Auffassung bestätigt, dass jede Art von Sport in erster Linie versuchter Selbstmord sei.
Ihrem Wunsch, erst nach dem Abendessen aufzubrechen, kam er gerne nach. Auch er verspürte jetzt das Hungergefühl.
An der Rezeption hatte man durchaus Verständnis für die verfrühte Abreise, vielleicht war es dem Betreiber auch einerlei, ob sie blieben oder nicht. Die Zimmer waren ja bezahlt.
»Wir finden auch jetzt noch jemanden, der gerne in Ihre Räume zieht«, entgegnete die Rezeptionistin lächelnd auf Böhnkes unausgesprochene Vermutung. »Sie beziehungsweise Ihre Gastgeber
Weitere Kostenlose Bücher