Nuerburghoelle
bezahlen selbstverständlich nur die von Ihnen in Anspruch genommenen Leistungen.«
»Wozu dann bitte auch ein Abendessen gehört«, mischte sich die Apothekerin ein. »Ich habe nämlich einen Mordshunger.«
Im eleganten, hellen Speisesaal, in dem wie scheinbar überall in den Räumen Monitore das Geschehen auf der Rennstrecke dokumentierten, war der tragische Unfall das beherrschende Gesprächsthema. Er sei halt passiert, so war die allgemeine Ansicht; wenn ein Reifen platzt, und das an einer ungünstigen Stelle auf dem Ring, dann kann man nichts machen. Das wäre im normalen Straßenverkehr nicht anders. Man müsse das Unausweichliche akzeptieren, könne zwar Theberaths Tod bedauern und mit den Hinterbliebenen trauern, damit sei es aber auch schon getan. Ändern könne jetzt niemand etwas.
»Wir können stundenlang über das Warum diskutieren, warum ausgerechnet Bert sterben musste«, meinte der Tischnachbar unaufgefordert zu Böhnke. »Aber das bringt uns nichts. Ein Tod durch einen Rennunfall, das kann das Schicksal jedes Motorsportlers sein.«
»Sie kennen Berthold Theberath?« Böhnke traute sich nicht, ›kannten‹ zu sagen.
»Den kennt jeder, der in der Rennsportszene heimisch ist«, antwortete der Mann kauend. Er stellte sich freundlich als Repräsentant einer Firma für den Verkauf und den Vertrieb von Stoßdämpfern vor. »Schmitz wie Müller«, sagte er. »Echt Kölscher Adel.« Er betrachtete Böhnke sinnend.
»Bert war ein echter Kerl, ein Kumpel und für viele ein Freund und Ratgeber. Der hatte Benzin im Blut und fuhr schon seit mindestens 20 Jahren hier auf der Nordschleife mit. Schon sein Vater und sein Großvater gehörten gewissermaßen zum Inventar des 24-Stunden-Rennens. Bert hat die Familientradition fortgesetzt, gemeinsam mit seinem Bruder Tünn. Anton«, verbesserte sich Schmitz überflüssigerweise. »Die Theberaths gehören zum Ring wie die Abts, die Stucks oder die Zakowskis.
Alle Namen sagten Böhnke nichts, auch wenn er sie hier zum Teil schon zum zweiten Mal hörte. Aber er sah es als wenig erhellend an, seine Unkenntnis preiszugeben.
»Hinzu kommt, dass Bert nicht nur ein hervorragender Rennfahrer mit vielen Spitzenergebnissen bei Langstreckenrennen war, er war auch ein gewiefter Geschäftsmann und ein fantastischer Autospezialist. Er und sein Bruder betreiben mit großem Erfolg eine Kfz-Werkstatt in Aachen, in der etliche Hobbyrennfahrer ihre Wagen tunen und kleinere Rennteams ihren Maschinen den Feinschliff geben lassen. Außerdem haben sie mit Autos und Rennautos einen erträglichen Handel betrieben.« Schmitz hob sein Bierglas. »Lassen Sie uns in seinem Gedenken zuprosten.«
Anscheinend hatte der Zwischenfall auf der Rennstrecke die Fans nicht zu einer fluchtartigen Massenabreise vom Nürburgring bewogen. Fast schien das Gegenteil der Fall zu sein. Immer noch machten sich Autofahrer in der Gegenrichtung auf den Weg dorthin. Sie waren fast allein auf der Straße, die vom Ring in Richtung Monschau und Aachen fortführte, als sie am Abend durch die Eifel fuhren.
»Ich will vor Mitternacht zu Hause sein«, hatte die Apothekerin gesagt, als sie nach dem Autoschlüssel langte. »Da ist es besser, wenn ich fahre. Du bist langsamer als wie ich.«
Dafür liebte er sie, dachte sich Böhnke heiter. Das ›als wie‹ war nicht nur echt Öcher Sprachgebrauch, es war auch immer wieder Grund für eine herzliche Auflockerung, wenn sie einmal über ernsthafte Themen in Streit gerieten.
Die Strecke zurück erinnerte Böhnke in keiner Phase an die Hinfahrt, sodass er vorsorglich zweifelnd fragte, ob sie tatsächlich auf der richtigen Bundesstraße unterwegs seien.
Er könne unbesorgt sein, versicherte seine Liebste schmunzelnd, sie kenne die Eifel so gut wie seine Westentasche. Und das meinte sie ernst.
Als sie endlich in stockfinsterer Nacht im unbeleuchteten Huppenbroich ankamen, war es tatsächlich kurz vor der Tageswende.
Böhnke wunderte sich über den Briefumschlag, der aus dem Briefkasten neben der Eingangstür lugte. Üblicherweise wurde samstags keine Post in dieser abgelegenen Ecke der Nordeifel ausgetragen.
Daran hatte sich auch nichts geändert, wie Böhnke schnell feststellte. Der Umschlag trug weder eine Anschrift noch den Namen eines Absenders, von einer Briefmarke ganz zu schweigen.
Zwei Blätter zog Böhnke neugierig aus der braunen Hülle.
›Anbei finden Sie die Kopie eines Briefes, den ich in dieser Woche Freitag mit der Post erhalten habe‹, hatte Bahn auf
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