Nuhr, Dieter
Stecker hin, denn da
ist die Wasserleitung.« Das kümmert die überhaupt nicht, und wenn man das
nächste Mal in die Wanne steigt, sprüht man Funken.
So ist das Leben. Meine Großmutter hat immer gesagt: »Das
Leben ist kein Wunschkonzert.« Und das ist gut so, denn die Meisten wollen ja
dann doch wieder die Kastelruther Spatzen hören, und da würde ich wahnsinnig.
Doch das Schöne ist: Das Leben besteht auch aus Überraschungen,
und man weiß nie, was hinter der nächsten Ecke wartet. Man biegt herum und
denkt: »Ahso!« Und schon wieder hat man diesen riesigen Hundehaufen übersehen
und der Schuh steckt knietief mittendrin. Weil der Mensch immer weiter muss,
denn der Mensch ist ja ein Getriebener, er muss ständig voran. Und wenn er mal
stehen bleibt, dann meist im Halteverbot. Da fragt man sich gerade: »Wo bin
ich überhaupt?« Und schon hat man ein Knöllchen.
Das ist teuer! Und seit dem Euro hat man doch sowieso nur
noch halb so viel Geld. Dafür kostet auch alles nur noch zwei Drittel, und auf
Sizilien muss man das Geld nicht mehr umtauschen, bevor es einem geklaut wird.
Das ist ein physikalisches Grundgesetz: Kaum hat man was, ist es schon wieder
weg. Beispielsweise dieses riesige Stück Käsekuchen heute. Was habe ich mich
darauf gefreut - und nach drei Minuten war es weg. Gut, es war nicht weg. Es
ist noch da, liegt bei mir auf der Hüfte, und wird wohl auch da bleiben. Es
gibt nämlich schon noch Bleibendes. Sogar Ewiges. Dieser Hundehaufen da an der
Ecke, der wird aus meiner Sohle nie mehr rausgehen. Es gibt noch Dinge, die der
Vergänglichkeit trotzen ...
Nicht viele, aber immerhin - das Meiste geht doch ziemlich
schnell kaputt, meist einen Tag nach dem Ende der Garantiezeit. Leben ist ja
immer auch Verlust. Man verliert so viel, nicht nur Geld, auch Glück - oder der
Blinddarm. Mit der Glücklichkeit ist es wie mit dem Blinddarm: Erst wenn sie
weg ist, fällt einem auf, wie schön es mit ihr war. Und wenn man ein paar
Nächte drüber geschlafen hat, ist es auch wieder wurscht.
Insofern: Nicht aufregen. Und bei der nächsten Frage: »Wo
bin ich überhaupt?« - nur keine Sorge, wir haben alle keine Ahnung.
Sozialstaat und
Rente 22. Januar 2002
Die allgemeine Laune ist im Keller. Klar, weil der
Sozialstaat abgebaut wird. Da sind die Leute pingelig. Dafür haben sie Gerhard
Schröder ja nicht gewählt. Oder irgendwie doch. Aber auch irgendwie nicht.
Gerhard Schröder hat nun die ehrenvolle Aufgabe, am Anfang des neuen
Jahrtausends die Weichen zu stellen. Und dabei soll er den Sozialstaat
gleichzeitig erhalten, verändern und abbauen. So will es der Wähler.
Das ist eine schwierige Aufgabe, die nur Schröder lösen
kann. Viele sagen: »Moment! Wenn der Mann für alles steht, wo bleibt denn da
der Standpunkt?« Das ist eine dumme Frage. Seit wann wird man für einen
Standpunkt gewählt? Gewählt wird man, wenn man möglichst viele Standpunkte für
sich vereinnahmt. Und wenn man wirklich mal einen Standpunkt einnehmen muss,
muss man doch vorher erst mal einen anderen gehabt haben.
Diese Logik empört viele alte SPD-Wähler. Viele sozial denkende
Menschen fragen sich: »Wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner
bezahlen müssen, die auch noch immer länger leben, dann muss das Geld doch
irgendwo herkommen! Woher ist egal. Hauptsache, es ist da!«
Die Rente muss bleiben, wie sie ist. Da ist die demoskopische
Entwicklung gar kein Argument. Seit wann muss sich Politik an der Realität
orientieren? Die Realität hat sich nach der SPD zu richten! Und wenn früher
sechs Arbeitnehmer einen Rentner ernährt haben, dann werden eben bald sechs
Rentner einen Arbeitnehmer ernähren. Wo ist das Problem?
Natürlich werden die Renten und Sozialleistungen auf Dauer
sinken - aber das zuzugeben, hieße, die Wahrheit zu sagen, obwohl sie
unangenehm ist! Wer will das denn?
Nein, die Rente muss bleiben, wie sie ist. Irgendjemand
muss das zwar bezahlen, aber das sind ja die anderen. Das ist das
grundsätzliche Ziel jeder Politik, dass der jeweils andere zahlt. Auf heute
bezogen heißt das: Wer soll denn zahlen, wenn nicht die, die Arbeit haben?
Natürlich gibt's dann weniger netto, aber: Wer heute noch Arbeit hat, der hat
so ein Glück, dass er dafür doch nicht auch noch Geld erhalten muss.
Erst wenn man für Nichtarbeiten mehr Geld bekommt als fürs
Arbeiten, werden die Menschen glücklich sein, keine Arbeit mehr zu haben. Wenn
dann aber keiner mehr arbeiten will, muss auch keiner mehr zahlen. Alle
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