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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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denn?«
    Wortlos stellte der Besitzer einen Pappteller mit Pommes frites und panierten Fischnuggets vor ihn hin. Der Detective Inspector begann sofort zu essen. Er kaute kurz, schluckte und legte nach, ohne sich den Mund zu verbrennen.
    »Wen oder was hat Anni in Ihnen zu sehen angefangen?«, fragte Ella.
    »Jemanden, der angeblich schon immer in mir gewesen war und der ihr etwas antun wollte und es dann auch getan hat. Ihr und allen anderen Menschen. Jemanden, den sie zunächst nicht als Realität akzeptieren wollte und über den sie auch mit anderen nicht sprechen konnte, ohne für verrückt erklärt zu werden. Weswegen sie ihm meine Gestalt und meinen Namen gegeben hat. Ich war so was wie ein offizieller Sündenbock.«
    »Sie hat jemand anderen in Ihnen gesehen oder sie hat erkannt, dass jemand anderer in Ihnen steckte? «
    »Ich nehme an, für sie war es dasselbe.«
    »Wollen Sie damit andeuten, Anni könnte den Verstand verloren haben?«
    Er ließ sich mit der Antwort mehr Zeit, als sie erhofft hatte. »Nein. Ich glaube, sie sieht Dinge, die die meisten Menschen nicht sehen können. Die aber da sind.«
    »Etwa den Teufel?«, fragte sie ungläubig.
    »Oder sein Treiben.«
    »Wo, zum Beispiel?«
    »Na ja, überall, oder?«
    Folie à deux, dachte Ella; einer hat den anderen angesteckt. Sie fragte sich, ob es an London lag, dass plötzlich alle vom Teufel sprachen, als wäre er eine Realität; eine Gestalt aus Fleisch und Blut, in der das Böse unter ihnen umging. Ich werde mich davon nicht infizieren lassen. » Don’t talk to the police – der Anruf vor der deutschen Botschaft gestern Morgen, das waren Sie, oder?«
    »Ich wollte nicht, dass Sie einen Fehler machen.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann schob er das Samsung in Ellas Richtung. »Wir haben jede Menge faule Eier in unseren Reihen. Wie wär’s, wenn Sie jetzt mal Dr. Gershenson anrufen?« Er holte einen Zettel aus der Tasche seiner Lederjacke. »Das ist die Nummer. Besser, wenn Sie das machen, Doc. Mein Name könnte unangenehme Erinnerungen auslösen.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass er noch unter dieser Nummer zu erreichen ist?«
    »Die anderen haben sich auch zu Hause verkrochen. Keiner ist weggerannt. Die begreifen alle noch nicht, wie real eine Gefahr sein kann, die aus einem virtuellen Raum kommt.«
    »Die Männer, die Tori Farrow und Wagenbach umgebracht haben, sind jedenfalls nicht aus einem virtuellen Raum gekommen«, sagte Ella. Sie tippte die Nummer, die auf dem Zettel stand – ein Festnetzanschluss –, und presste das Handy gegen das Ohr. Sie sah aus dem Fenster auf die Straße, wo Cassidys Mann unter einer La terne stand. Das Freizeichen erklang. Ella wartete, aber niemand ging an den Apparat. Als sie es gerade aufgeben wollte, wurde der Hörer abgehoben, und eine sehr jung klingende Männerstimme meldete sich: »Hallo?«
    »Dr. Gershenson?«, sagte Ella. »Mein Name ist Ella …«
    »Dr. Gershenson ist nicht da«, sagte die Stimme.
    »Wann erwarten Sie ihn denn zurück?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Sie können es nicht sagen, oder wissen Sie es nicht?«, fragte Ella, ermutigt durch den jungenhaften Tonfall der Stimme.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich müsste aber dringend mit ihm sprechen«, sagte Ella. »Kann ich ihn vielleicht mobil erreichen?«
    »Nein.« Geduldig und höflich. »Das geht leider nicht.«
    »Können Sie ihn erreichen?«
    »Nein. Bedauerlicherweise auch nicht.«
    »Und mit wem spreche ich?«
    »Ich bin Oliver. Dr. Gershensons Sohn.«
    Es schien Ella, als gäbe es eine kaum hörbare Veränderung in seinem höflichen Tonfall, ein Anflug von Kälte; als schlüge ein frostiger Hauch aus dem Handy. »Meldet Ihr Vater sich denn nicht hin und wieder bei Ihnen?«
    »Doch. Hin und wieder.«
    »Aber Sie wissen nicht, wann.«
    »So ist es.« Doch, das war eindeutig nicht nur Höflichkeit in der Stimme des Jungen, sondern Kälte und noch etwas: Verlorenheit. »Kann ich etwas ausrichten?«, erkundigte er sich.
    Ella überlegte. »Ja, sagen Sie ihm doch bitte, Ella Bach hätte ange rufen. Ich bin eine Freundin von Dr. Jansen. Annika Jansen. Er möchte mich bitte zurückrufen, unter …«
    Ihr fiel ein, dass sie keine Nummer hatte, unter der sie zu erreichen war. Sie sah Cassidy an, der ein weiteres Handy aus seiner Jackentasche gezaubert hatte und ihr eine Nummer diktierte. Sie gab die Nummer weiter. Der Junge bedankte sich höflich und sagte: »Ich richte es ihm aus. Sie werden bestimmt bald von ihm

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