Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
Vom Netzwerk:
zurück. Keine Spur hinterlassen, dachte sie; keinen Hinweis geben, sie können alles lesen, alles mithören, alles aufzeichnen.
    »Haben Sie zufällig ein Telefonbuch?«, fragte sie den Imbiss-Besitzer.
    »Nein, nicht, leider.«
    »Darf ich dann mal Ihr Telefon benutzen?«
    »Nein, nicht, leider. Kein Telefon. Keine Anrufe.«
    »Aber Sie haben doch ein Handy, oder? Jeder hat ein Handy. Ich schenke Ihnen meins, wenn ich Ihrs mal benutzen darf.«
    »Sie haben Smartphone«, sagte der Besitzer, der es vor ihr liegen sah.
    »Ja.«
    »Ein Anruf?«
    »Ja.«
    »Gut. Ein Anruf.« Er holte ein abgenutztes billiges Samsung unter dem Tresen hervor und gab es ihr, während er gleichzeitig ihr iPhone an sich nahm. »Wie lautet die Nummer der Auskunft?«, fragte Ella.
    Der Besitzer antwortete nicht, sondern blickte an ihr vorbei auf die Straße. Und da sah sie den Mann. Er trug eine rote Pudelmütze, eine dunkelgrüne Armeejacke ohne Abzeichen, ausgewaschene Jeans und schmutzige beige Laufschuhe. Die Jacke war zugeknöpft, das Jeanshemd darunter am Kragen offen, kein Schal. Er trat hinter einem Baum auf dem gegenüberliegenden Gehweg hervor und überquerte die Straße. Im Gehen schob er die Hände in die Jackentaschen und schaute nach rechts und links – keine Zeugen , dachte Ella –, dann stieß er die Glastür auf und betrat den Imbiss. Er nickte dem Besitzer zu, aber es war kein Gruß, sondern ein Befehl: Verschwinde hinter deinen Tresen. Jetzt erst, als er an ihren Tisch trat, sah er Ella an. Sein Blick war genauso stonewashed wie seine Jeans. Er zog sich einen der Gartenstühle heran und setzte sich, ohne etwas zu sagen. Die Hände schob er wieder in die Jackentaschen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Ella. Sie konnte ihren Puls dicht an ihrer Kehle hämmern fühlen. »Was wollen Sie?«
    Er antwortete nicht.
    »Sind Sie vom Secret Service? Vom BND?«
    Er sagte nichts. Sie griff nach dem Samsung, aber er war schneller und nahm es an sich. »Nicht telefonieren«, sagte er.
    »Während wir was tun?«, fragte Ella.
    »Warten.«
    »Worauf?«
    Er schwieg wieder, und seine Augen verwandelten sich in Steine, auf denen man Jeans waschen konnte. Worauf warten wir?, dachte Ella. Auf wen? Auf was?

4 8
    Eine Viertelstunde später hielt ein dunkelgrüner Rover vor dem Imbiss, und DI Cassidy stieg aus. Ella wurde fast schwindlig vor Erleichterung. Auch Cassidy sah die Straße hinauf und hinunter, dann betrat er das Ladenlokal, das sofort zu schrumpfen schien. Er strahlte die gleiche zornige Energie aus wie in der vergangenen Nacht. Er nickte dem Mann zu, der mit Ella gewartet hatte, und sagte: »Warte draußen, Liam.« Zu dem Besitzer sagte er: »Ein Bier.« Er setzte sich auf den Stuhl, den sein Kollege geräumt hatte. Er sah erst das Samsung auf dem Tisch und dann Ella an. »Wenn Sie aufhören wollen, Spielchen zu spielen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür«, sagte er.
    »Wer spielt denn hier Spielchen mit wem?«, fauchte Ella. Ihre Erleichterung verwandelte sich in Wut, die ihr wie eine rote Flamme bis hinter die Stirn schoss. »Sie setzen diesen Pitbull auf mich an, der den Mund nicht aufkriegt und mich anstiert, als hätte er schon lange keine rohe Gurgel mehr im Fressnapf gehabt, und dabei ist es einer von Ihren Leuten, der mich in Ihrem Auftrag hier festhält, ohne seine Dienstmarke zu zeigen!«
    »Glauben Sie, ich würde Sie auch nur eine Sekunde allein oder unbeobachtet lassen, bei dem, was ich über Sie weiß? Oder bei dem, was gerade in meiner Stadt vorgeht?«
    Jählings verrauchte Ellas Wut. »Gibt es etwas Neues?«, wollte sie wissen. »Über den Anschlag? Die Babynahrung? Haben Sie etwas herausgefunden?«
    »Darüber darf ich nicht sprechen«, sagte Cassidy, und Ella dachte: Natürlich nicht. Aber wenn er wollte, würde er es trotzdem tun.
    Der Besitzer stellte eine Flasche Bier vor Cassidy hin, und der Detective Inspector nahm einen herzhaften Schluck, bevor er das Thema wechselte: »Als Sie vorhin in meiner Wohnung Annis Sachen durchwühlt haben, ist Ihnen da was aufgefallen? Haben Sie einen Hinweis auf den ominösen Ken gefunden? Oder irgendetwas anderes, das uns weiterhelfen kann? Nein? Ich sage Ihnen, warum. Weil Lady Ann nicht so überstürzt untergetaucht ist, wie es aussah. Sie hat vorher alles verschwinden lassen, was irgendjemanden in Gefahr bringen könnte, der ihr nahesteht oder für ihre Gegner von Interesse sein könnte. Ich habe weder von Wagenbach noch von Tori Farrow Unterlagen gefunden, keine Bänder,

Weitere Kostenlose Bücher