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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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keine Adressen, keine Telefonnummern. Colin Blain war schon tot, als sie sich verdrückt hat. Wagenbach und Farrow hatte sie vermutlich gewarnt, bloß dass sie die Warnung nicht ernst genug genommen haben. Sogar eine gewisse Ella Bach in Berlin hat sie gewarnt. Genauso wie Kenneth Gershenson. Allerdings hat sie vergessen, dass das Band mit Blains Therapiestunde noch ein paar Minuten weitergelaufen ist, das war ihr einziger Fehler.«
    »Sie wussten, dass der Ken, den sie angerufen hat, dieser Dr. Gershenson war?«
    »Nicht sofort.« Cassidys gerötete Huskyaugen wanderten zu der Vitrine. »Im Lauf des Nachmittags ist mir wieder eingefallen, dass sie selbst einen Therapeuten hatte, zu dem sie einmal im Monat ging, um ihren seelischen Tampon zu wechseln. Der Rest war reine Routine. Die Frage ist, wann hätten Sie mir gesagt, dass Sie es auch wissen?« Sein Blick kehrte zu Ella zurück. »Sie trauen mir nicht«, stellte Cassidy fest, »und Sie werden mir auch in hundert Lichtjahren nicht vertrauen, weil Sie alles glauben, was Anni Ihnen über mich er zählt hat.«
    »So ist das bei Freundinnen. Und in Lichtjahren misst man die Entfernung, nicht die Zeit.«
    »Ich werde Ihnen jetzt was über Anni und mich sagen.« Ohne den Besitzer anzuschauen, rief Cassidy laut: »Für mich auch ’ne Portion Fish ’n’ Chips. Ein Grund, aus dem das mit Anni und mir nicht funktioniert hat, war, dass wir die Dinge ganz unterschiedlich gesehen haben, dieselben Dinge zur selben Zeit. Sie war …«
    »… ist …«
    »… war damals so hoffnungsvoll. Der Zukunft zugewandt. Sie sah immer das Positivfoto. Es war, als hätte sie eine Kamera im Herzen. Sie schaute auf etwas, das sie schön fand, machte mit ihrem Herzen ein Foto davon und entwickelte es auch gleich selbst, verwandelte es vom Negativ in ein Bild, das sich zu den anderen schönen Bildern in ihr gesellte. Ich sah das Gegenteil. Ich behielt das Negativ ihrer Zukunftsträume.« Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe es nicht. Sie war … ist … doch eine kluge Frau. Sie hatte diese ganzen Menschen, die zu ihr kamen, weil sie unglücklich waren … Manche von denen wollten sich umbringen, weil die Liebe ihnen so zugesetzt hatte. Wieso hat sie nicht aufgegeben? Wieso hat sie nicht aufgehört, daran zu glauben?«
    »Vielleicht gerade weil sie eine kluge Frau ist.«
    »Ich habe nie an besonders viel geglaubt. Nicht an Du-sollst-Mutter-und-Vater-ehren und auch nicht an Gott oder irgendeine Religion. Nicht mal an den Teufel. Oder Selbstverwirklichung.«
    Ella zog die Augenbrauen hoch. »Sie empfinden keine Befriedigung, wenn Sie einem Verdächtigen falsches Beweismaterial unterschieben und ihn danach in der Arrestzelle windelweich prügeln?«
    »Anni glaubte an Selbstverwirklichung.« Cassidy betonte das Wort, als handelte es sich um einen höchst obszönen, zutiefst verabscheuenswürdigen Vorgang. »In der Arbeit, sogar in der Liebe. Ich finde das rücksichtslos, egoistisch. Selbstverwirklichung ist wie ein Loch in einer Tube Zahnpasta. Man drückt drauf, und es kommt immer alles an der falschen Stelle raus, und am Ende ist kein Selbst mehr übrig, das man noch verwirklichen kann.«
    Das Prasseln der Fritteuse erfüllte den Raum, und auf dem Fernsehschirm in der Ecke spielten jetzt winzige Männer in anderen Trikots um einen kaum sichtbaren Ball. Am unteren Bildrand zog ein Schriftband vorbei, aber auf die Entfernung konnte Ella die Worte nicht lesen. »Kann es sein, dass Sie einfach nur eifersüchtig waren?«, fragte sie.
    »Worauf denn?« Ungläubige Miene, aufrichtig erstaunt. »Ich hatte doch das Beste – ihren Körper! Ich hatte den Anblick, wenn sie ihre Bluse aufknöpfte, wenn sie ihren Rock fallen ließ. Ihre Freude daran, sich mir hinzugeben, die jede ihrer Bewegungen verriet. Ihre Lust daran, nackt zu sein. Wie sie mir stolz entgegenkam, weil sie meinen Hunger verspürte, den nur sie stillen konnte. Sie schwamm in mei nem Begehren wie ein Fisch, so wohl fühlte sie sich darin.«
    Vergiss nicht, dass er der Mann ist, der sie fast totgeschlagen hat.
    Er schloss die Augen. »Sie war eine Frau, die Liebe entgegennimmt wie eine Opfergabe; weil sie sie verdient. Ich kann sie immer noch sehen. Ich kann sie immer noch riechen. Ich kann sie immer noch schmecken. Es war wirklich ein Fehler. Wir hätten uns nie begegnen dürfen. Dazu kommt, dass Anni – nachdem es geschehen war, nachdem ich diese Scheiße gebaut hatte, fing sie an, jemand anderen in mir zu sehen.«
    »Wen

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