Null Bock auf Mr Cock (German Edition)
immer das beste Leben leben möchte“
„...ich trotz schwieriger Familienverhältnisse mittlerweile auch umgänglich bin“
„…manchmal ein kleiner Spinner bin“
„…ich anders bin“
Boah, jetzt langt’s aber, nun kann ich nicht mehr.
Die edlen Männer sind vor allem eins, so resümiere ich: eitle Selbstdarsteller.
Im Beruf scheinbar erfolgreich und souverän, in der Freizeit die Leichtigkeit des Seins auskostend. Keine Selbstzweifel, kein gelegentliches Hadern und Zaudern mit sich selbst - was einen Mann doch nur menschlicher und sympathischer machen würde.
Dafür sich präsentierend wie ein eitler Pfau - der sein buntes Gefieder reckt - und sich in den schönsten Farben zeigt und in den höchsten Tönen preist.
Arzt und Rotarier aus der Kurpfalz
Eine neue Kontaktanfrage erreicht mich, gesendet von einem Arzt aus der Nähe von Heidelberg, er formuliert seine Zeilen gepflegt und mit Niveau, stets höflich und ganz Kavalier der alten Schule.
Mit jeder weiteren Mail schwärmt er jedoch mehr von „seinem“ Rotary-Club und preist diesen Verein in den höchsten Tönen und in den buntesten Farben.
„Die Leute sind so nett da, so bescheiden, und gar nicht abgehoben, wie man vielleicht gemeinhin denken mag. Da bin ich gut aufgehoben, gleichsam wie in einer großen Familie. Und Dich“ , so schreibt er „Dich nehme ich auch mit, das wirst Du schon sehen“ - und schreibt dies, als würde er mir damit meinen kühnsten und geheimsten Traum erfüllen.
Er schreibt nicht, was wir zusammen unternehmen könnten, in trauter Zweisamkeit - alles dreht sich vielmehr um die Rotarier.
Als meine Nichte das Bild des Medizinmannes sieht, als sie mir zufällig über die Schulter linst und dann schreit, „der sieht ja aus wie der komische Onkel vom Harry Potter, um Himmels Willen, igitt noch mal“ - da lösche ich den guten Medizinmann und Rotarier ohne Erbarmen.
Paul - Frust und Depressionen nach gescheiterter Ehe
Alsbald finde ich wieder Post in meinem „Edelagentur“-Briefkasten, eine Partneranfrage von Paul, 50 Jahre, wohnhaft irgendwo in Hessen.
Zunächst fällt mein Blick auf sein Foto, das er sofort und anstandslos freischaltet - korrekt schaut er aus, der Mann auf dem Bild, gekleidet in Anzug und mit Krawatte, akkurate Frisur, Brille. Ernster Blick - nein, bei genauerem Betrachten sind die Gesichtszüge gar allzu ernst, wenn nicht grimmig, bedrückt und verbittert.
Als Beruf hat Paul Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer angegeben - na, Wirtschaftsprüfer haben doch ihre Pfründe, so heißt es jedenfalls, und auch die Übereinstimmung von 100 Prozent scheint viel versprechend zu sein.
Ich öffne den virtuellen Brief, das Schreiben beginnt steif und altmodisch: „Liebe Dame, Ihr Profil gefällt mir, ebenfalls der Profilvergleich. Ich habe mir auch angesehen, was Sie über sich geschrieben haben. Von Ihnen formulierte Voraussetzungen für den Erfolg einer langfristigen Partnerschaft entsprechen ebenfalls meiner Überzeugung. Wenn der Computer Recht hat, würden wir mit 100 Punkten gut zusammen passen.“
Beim weiteren Lesen seiner Zeilen legt sich jedoch meine Stirn in Falten und meine Augenbrauen ziehen sich intuitiv zusammen. „Meine Frau hat mich vor einem halben Jahr zusammen mit unserem 8jährigen Sohn verlassen, als ich aufgrund beruflicher Überlastung erkrankte, inzwischen bin ich gesundheitlich fast wieder der Alte, jedoch fehlt mir eine liebe Partnerin. Ich trauere meiner „Ex“-Frau nicht hinterher: ich wußte schon lange, daß sie kein lieber Mensch ist. Daß sie mich allerdings verlassen würde, wenn ich sie erstmals in 23 Ehejahren brauchte, hat mich schockiert. Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören. Viele Grüße Paul.“
Das mag ja alles wahr sein, was er schreibt, überlege ich, und traurig ist es obendrein - ob ein Mann allerdings in dieser Form die Werbetrommel für sich rührt, sei dahingestellt. Denn welche Frau will mit Altlasten konfrontiert werden und mit einem noch nicht abgeschlossenen Beziehungsdrama, wie es erbärmlicher nicht sein könnte? Wie will ein Mann sich in eine neue Partnerschaft begeben, wenn die alte noch anhängig ist?
Und ich möchte ihm im Sinne von Hermann Hesse schreiben, dass er Abschied von alten Bindungen nehmen müsse, um frei zu sein für einen Neubeginn - und dass Herz und Seele nur gesunden können, wenn man loslassen und alte Belastungen wie eine in die Brüche gegangene Partnerschaft für immer ad acta legen
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