Null & Nichtig (Daniel & Juliet - eine Liebesgeschichte (Teil 2)) (German Edition)
»Nein, ich bin für Sie verantwortlich, die Akten sind alle Originale , wenn Sie die durcheinanderbringen, wäre das eine Katastrophe.«
»Haben Sie denn keine digitale Unterlagen?«, fragte ich erstaunt. Ein Unternehmen wie Daniels konnte doch unmöglich noch mit Aktenbergen arbeiten.
»Doch, schon. Aber dazu haben Sie keinen Zugang, den bekommen nur richtige Mitarbeiter.«
»Aber ich bin ein richtiger Mitarbeiter«, widersprach ich ihr.
Sie sah mich von oben bis unten an, lächelte dann unergründlich in sich hinein. »Ja, natürlich sind Sie das. Mit Ihren Qualifikationen sind Sie ja auch bestens auf diesen Job vorbereitet.«
Ich errötete, konnte mich aber gerade noch beherrschen, bevor unüberlegte Worte über meine Lippen kamen. Ich wollte auf keinen Fall schon an meinem ersten Arbeitstag einen Streit mit Daniels Assistentin provozieren.
»Auch wenn Sie mich nicht mögen, werden wir trotzdem zusammen arbeiten müssen. Es wäre also schön, wenn Sie mir einen Zugang zu dem Computersystem besorgen könnten, oder soll ich Mr. Stone erst im Erlaubnis bitten?«
Sie musterte mich wie einen exotischen Käfer, mit Abstand und Abscheu. »Machen Sie sich keine Mühe. Ich bin sicher, Mr. Stone ist mit allem einverstanden, was Sie ihm auf seinem Schreibtisch vorlegen.«
Ich war froh, als ich mit einem nagelneuen Computer und bergeweise Akten endlich allein an meinem riesigen Schreibtisch saß. Ich schaltete den Computer ein und atmete tief durch. Ying war zum Glück in einer Besprechung. Auf ihre schnippischen Kommentare konnte ich gut eine zeitlang verzichten.
Daniel ließ sich auch nicht blicken, er empfing in seinem Büro einen Besucher nach dem anderen.
Dafür erschien Phyllis an der Tür. »Möchten Sie vielleicht einen Kaffee? Wenn Sie Zeit haben, zeige ich Ihnen gern unsere Küche und die restlichen Räume.«
Ich nickte erleichtert. Die ältere Frau kannte ich flüchtig von meinen Übersetzungsarbeiten für Daniel vor ein paar Wochen. Mit ihrer fast schon mütterlichen Art war sie das genaue Gegenteil von Ying.
»Alles hier in der Küche können Sie mitbenutzen. Wenn Sie sich etwas zum Mittagessen mitbringen, stellen Sie es hier auf diese Seite im Kühlschrank, damit sich niemand daran vergreift.«
»Wo essen Sie denn normalerweise Mittag? Hier im Büro?« Der Gedanke daran, dass ich womöglich selber kochen musste, erschreckte mich.
»Nein, natürlich nicht«, lachte Phyllis, »die meisten von uns gehen während der Mittagspause in die Stadt. Nur wenn Sie etwas ganz Dringendes zu tun haben, können Sie auch hier bleiben und über die Küche des Hotels etwas bestellen. Die Kosten werden Ihnen vom Gehalt abgezogen, aber es gibt einen Mitarbeiterrabatt.«
Ich seufzte bei dem Gedanken an das Ritzman Hotel. Meine ehemaligen Kollegen hatten mich heute morgen staunend mit ihren Blicken verfolgt, als ich an Daniels Seite durch die Lobby gehastet war. Ich nahm mir vor, sie bald zu besuchen, denn in meiner kurzen Zeit am Empfang hatte ich besonders Sascha, Sylvia und Ms. Bingham ins Herz geschlossen. Wenn irgend möglich, wollte ich diesen Kontakt nicht abreißen lassen.
»Wegen Ying machen Sie sich mal keine Sorgen«, meinte Phyllis, die angesichts meines Gesichtsausdrucks wohl annahm, ich dächte über die letzte Stunde nach. »Die ist mit jedem so. Wenn es um Mr. Stone und diese Firma geht, dann ist sie immer ein bisschen misstrauisch.«
»So eine Art Verteidigungsinstinkt«, warf Phyllis Kollegin Martha ein, die bis dahin kaum mehr als drei Worte gesprochen hatte. »Seit Ying hier arbeitet, hat sich die Zahl der weiblichen Besucher bei Mr. Stone halbiert und die Arbeitsproduktivität in diesem Büro verdoppelt.«
Phyllis lächelte. »Nun übertreib mal nicht. Du musst mal versuchen, dich in das Mädchen hineinzuversetzen. Sie ist ehrgeizig, fast schon getrieben und steht vor der Chance ihres Lebens. Wer will es ihr da verdenken, wenn sie sich anstrengt und mit aller Kraft darum bemüht, ihr Ziel zu erreichen.«
»Was ist denn ihr Ziel?«, fragte ich ungeduldig. Eigentlich wollte ich nur ungern zum Bürotratsch beitragen, dazu befand ich mich als Geliebte des Chefs in der denkbar ungünstigsten Position.
»Wir sind uns darüber uneins«, erklärte mir Phyllis. »Ich glaube, dass Ying nur hinter einer guten Position im Unternehmen her ist. Aber Martha hier ist der Ansicht, sie hat es auch auf Mr. Stone abgesehen.«
Beide Frauen sahen mich an. »Wir freuen uns darauf, die Auflösung nun praktisch frei
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