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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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die Whisky-Bar – die hatte James im Übersichtsplanmit einem Kreuzchen versehen, denn hier waren Kinder unerwünscht –, eine kleine Einkaufszeile inklusive Friseursalon und das in Goldtönen gehaltene, sich über zwei Etagen erstreckende Atrium mit den zentralen Aufzügen. Auf Deck 4 bis 7 lagen die Kabinen der Passagiere und der höheren Schiffsangestellten. Im Heck von Deck 7 lud der Spa-Bereich zum Besuch ein, während im Bug die Sun Lounge untergebracht war, ein kleiner VIP-Bereich für die Gäste der ersten Klasse. Auf Deck 3, unter der Wasserlinie, befanden sich die Kabinen der einfachen Angestellten.
    Auf dem Flur begegnete ihm keine Menschenseele. Er fuhr mit dem Aufzug zur Observation Lounge auf Deck 10. Auch hier war noch kein Gast, doch in dem kleinen Kiosk kurbelte soeben ein junger Asiate die Rollläden hoch. Nachdem er sich mit einem Blick hinter die Theke von der Qualität der Kaffeemaschine überzeugt hatte, bestellte James auf Mandarin einen Espresso. Der Bedienstete antwortete höflich, aber ohne zu lächeln, mit japanischem Akzent: »Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht verstanden. Könnten Sie bitte Englisch sprechen?«
    »Oh, pardon, ich habe Sie für einen Chinesen gehalten«, sagte James. »Einen Espresso, bitte.« Erfreut stellte James fest, dass es einen abgeteilten Raucherbereich gab. Er ließ sich mit seinem Kaffee dort nieder, zündete sich eine Zigarette an, und während er den ersten Zug nahm, entdeckte er am Horizont die Küstenlinie. Bald würden sie in Nizza anlegen. Erst nach Mitternacht würde das Schiff mit Kurs auf Rom wieder ablegen, sodass genug Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel blieb. James freute sich darauf. Er war 1964 zuletzt in Nizza gewesen, im Zusammenhang mit der Verfolgung eines international gesuchten Terroristen.Bei seinem dreitägigen Aufenthalt war er zwar viel in der Stadt herumgekommen, aber so auf sein Ziel konzentriert gewesen, dass er hinterher nur noch ein Gewirr von engen Gassen, Menschen und Motorrädern im Kopf hatte. Lavendelfelder waren das Einzige, woran er sich deutlich erinnerte. Nach der ganzen Sache hatte er einen Tag auf den Rückflug nach London warten müssen und den unverhofften Urlaubstag dazu genutzt, per Bus aufs Land zu fahren und stundenlang zu wandern, immer wieder an blauviolett blühenden, sich sanft im Sommerwind wiegenden Lavendelfeldern vorbei. Bewegung war das beste Mittel für ihn, Stress abzubauen und wieder auf andere Gedanken zu kommen. Nach dieser Mission war viel Bewegung nötig gewesen. Sie verlief zwar erfolgreich – er konnte den feindlichen Agenten an die französischen Kollegen übergeben –, doch bei der Festnahme war ein Kind schwer verletzt worden. Als James den Mann in seinem Hotelzimmer überraschte, sprang dieser aus dem Fenster im zweiten Stock und landete im Swimmingpool, mitten in einer Gruppe planschender Kinder. Der Agent brach sich dabei lediglich einen Arm, aber eines der Kinder erlitt schwere innere Verletzungen und überlebte nur knapp. Als James’ Vorgesetzter ihn später fragte, warum er dem fliehenden Mann nicht wenigstens ins Bein geschossen habe, hatte James eine Ladehemmung vorgeschoben. Er hatte nicht zugeben wollen, dass er zwar reflexartig gezielt, im entscheidenden Moment jedoch nicht hatte abdrücken können. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, dem Anderen in die Augen zu schauen. Was er gesehen hatte, als er dessen Zimmer betrat, war ein junger Mann, wie er selbst einer war. Er lag entspannt auf dem Bett und hörte Musik, »Not Fade Away« von denRolling Stones, einen Song, den auch James damals gern mochte. Der andere wusste sofort, was los war. Seine Waffe lag zwar in Reichweite auf dem Nachttisch, doch James wäre in jedem Fall schneller gewesen als er. Das wussten sie beide. Der Mann sah James ruhig an und wartete darauf, dass er abdrückte. Doch als James die Waffe senkte und rief: »Sie sind verhaftet!«, erwachte er aus seiner Erstarrung und stürzte zum offenen Fenster hinaus. James hatte sich lange mit der Frage gequält, ob er auf den Mann geschossen hätte, wenn er vorher gewusst hätte, was passieren würde. Zum Glück war er nie wieder in eine ähnliche Situation gekommen.
    »Sind Sie aus dem Bett gefallen, oder sind Sie immer so früh auf den Beinen?«
    James sah unwillig von seinem Espresso auf. Er machte sich nicht die Mühe, seine Gesichtszüge unter Kontrolle  zu bringen, denn er hasste es, von der Seite angesprochen zu werden, insbesondere von völlig

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