Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
mit Sicherheit verheerende Folgen.«
»Stimmt«, mischte sich Luigi ein. »Bei einem Konzert, das ich vor ein paar Jahren in Lucca gegeben habe, schrie plötzlich jemand ›Feuer!‹. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, und ich sage euch, es war grauenvoll. Kopflos wie eine Herde Büffel rannten alle auf einmal hinaus. Madonna, am nächsten Tag bin ich in die Kirche gegangen und habe zum Dank dafür, dass niemand ernsthaft zu Schadenkam, alle Kerzen geopfert, die ich finden konnte. Die Mutter Gottes hat an dem Abend wirklich die Hand über uns gehalten!«
»Und?«, fragte James.
»Wie bitte?«, fragte Luigi zurück.
»Gab es ein Feuer?«
Luigi nickte heftig. »Oh, ja, ja, die Konzerthalle ist völlig ausgebrannt. Ein großes Unglück für die Stadt.«
»Da war es doch ganz gut, dass jemand ›Feuer!‹ gerufen hat, nicht wahr?«
Luigi sah James verwirrt an. »Natürlich. Ich wollte doch nur sagen, dass es nicht gut ist, wenn eine Panik ausbricht.«
»Das ist eben genau der Punkt«, sagte Charles. »Ob es wirklich ein Feuer gibt oder nicht. Wenn wir ›Feuer‹ oder vielmehr ›Mörder‹ rufen, und es ist ein falscher Alarm, dann bricht unnötig Panik aus. Warnen wir aber nicht, und es gibt einen Mörder, dann muss das vielleicht noch jemand mit seinem Leben bezahlen.«
James beobachtete die einzelnen Mitglieder der Tischgesellschaft, während sie weiter über das Geschehen an Bord diskutierten. Sheila, Luigi, Monty und Charles waren lebhaft bei der Sache, wenn auch geteilter Meinung darüber, wie auf die jüngste Entwicklung zu reagieren sei. Al und Rosie hingegen war in seltener Einmütigkeit anzumerken, dass für sie der unterhaltsame Aspekt der jüngsten Ereignisse im Vordergrund stand und weniger die mögliche Gefahr für das eigene Leben. Wahrscheinlich, dachte James mit einem Anflug von Mitleid, sind sie einfach froh über die Ablenkung vom eintönigen Gezänk ihrer Ehe. James sah auf die Uhr und erhob sich. »Ich versuche jetzt, Jeremy dazuzu bringen, dass er die Sicherheitsvorkehrungen an Bord verstärken lässt, besonders auf Deck 10.« Er sah Sheila an. »Kommen Sie mit zur Sun Lounge?«
Während Sheila sich erhob, ermahnte er die anderen: »Verriegeln Sie heute Nacht Ihre Kabinentüren gut und meiden Sie Deck 10!«
Kapitel 23
Die Sun Lounge bot etwa zwölf Gästen Platz. Jeremy hatte sie nach dem Vorbild der gleichnamigen Lounge auf der königlich-britischen Yacht Britannia gestalten lassen. Wie die Queen selbst sollte man sich darin fühlen, wenn man des Nachmittags auf den blau-weiß gestreiften, dicken Polstern der bequemen Deckchairs Platz nahm, an seinem Tee oder einem frühen Whisky nippte, während schräg gestellte Holzlamellen vor den Panoramafenstern die milden Strahlen der tief stehenden Sonne brachen und das behagliche Interieur mit freundlichen Lichtstreifen versahen. Doch als James und Sheila eintraten, war die Sonne bereits untergegangen, die Lamellen waren geschlossen, und grelle Neonleuchten an der Decke machten die besondere, durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten entstehende Atmosphäre zunichte. Phyllis saß, den Kopf nach vorn gebeugt, in ihrem Rollstuhl und gab leise Schnarchlaute von sich, während Kapitän Sullivan ungeduldig auf und ab schritt.
»Wo ist Jeremy?«, fragte Sheila.
Phyllis schreckte hoch.
»Er müsste eigentlich schon längst da sein«, sagte Kapitän Sullivan und sah auf seine Armbanduhr. »Es ist zehn Minuten über die verabredete Zeit.«
Phyllis räusperte sich. »Sie müssen sich irren, junger Mann. Jeremy Watts verspätet sich nie.«
Der Kapitän sah sie missmutig an. Auch er war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ.
James und Sheila ließen sich in den Deckchairs nieder. James langte in die Obstschale, die zwischen ihren Stühlen auf einem niedrigen Beistelltischchen stand, nahm sich eine Banane, schälte sie und verschlang sie mit drei Bissen. Der Banane ließ er einen Apfel folgen.
»Sie sind ja ganz verrückt nach Vitaminen, James«, bemerkte Phyllis. »Immer wenn ich Sie sehe, stopfen Sie sich mit Obst voll.«
»Das Geheimrezept des SIS, um die Agenten fit zu halten«, sagte James. »Außerdem habe ich Hunger.«
Phyllis lächelte. »Stimmt, Sie haben ja leider das Abendessen verpasst. Aber was tut man nicht alles, um im Alleingang die Welt zu retten, nicht wahr, Null-Null-Siebzig?« Sie kicherte vergnügt. »Oder zumindest das Schiff.«
»Mutter!«, rief Sheila aufgebracht. »Lass das, ja?«
Phyllis kicherte
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