Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
Schiffbruch erlitten haben. Da Ihre Fantasie ja noch an Bord zu sein scheint, welche harmlose Erklärung hätten Sie denn zu bieten?«
»Freitod«, sagte der Kapitän, während er James abschätzig musterte. »Schrecklich, wenn so etwas passiert, kommt aber leider vor.«
»Gleich drei Selbstmorde?«, warf James ein. »Das glauben Sie doch selbst nicht!«
Der Kapitän bedachte ihn mit einem geduldigen Blick. »Nein. Wir haben nur eine Leiche, also gab es auch nur einen Selbstmord. Die beiden Personen, die Sie vermissen, sind, davon bin ich nach meinem Gespräch mit Mr Watts überzeugt, absichtlich von der Bildfläche verschwunden.«
»Wie denn, ohne ihr Leben zu riskieren?«, warf Monty ein. »Dies hier ist ein Schiff.«
Der Kapitän lächelte. »Sie sagen es. Ein Schiff. Aber keine Nussschale. Dieses Schiff ist wie eine kleine, schwimmende Stadt, und wenn Sie es darauf anlegen, können Sie problemlos darin verschwinden. Quasi untertauchen, zumindest für eine Weile. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
Nachdem der Kapitän den Raum verlassen hatte, herrschte eine Weile Schweigen. Alle waren in Gedanken versunken und versuchten, sich eine Meinung über das Gehörte zu bilden. James bemerkte, dass der Hai, den er aus dem Kasperletheater mitgenommen hatte, unter den Tisch gefallen war. Er hob ihn auf, fasste mit der rechten Hand in sein Maul und ließ es auf und zu schnappen.
»Das ist ja verrückt«, sagte Monty in die Stille hinein.
»Das, was der Kapitän gesagt hat, klingt vernünftig«, meldete sich Rosie zu Wort.
»Ja«, stimmte Monty zu. »Der Amerikaner ist selbst ins Meer gehüpft, und während wir hier sitzen und uns Sorgenüber einen Serienkiller machen, sitzen Judy und Eden irgendwo und lachen sich ins Fäustchen.«
»Was denken Sie, James?«, fragte Al. »Sie sind doch vom Fach. Müssen wir uns Sorgen machen oder nicht?«
James fuhr fort, mit dem Hai zu spielen. »Es gibt mehrere Möglichkeiten, nicht wahr? Die schlimmste wäre: Es gibt einen Serienkiller an Bord. Er hat bereits drei Menschen ermordet, und wahrscheinlich macht er weiter. Wir wissen nicht, wen es als Nächstes trifft, und ebenso wenig wissen wir, welches Motiv der Täter hat und ob er überhaupt eines hat. Wenn er nur tötet, weil es ihm einen Kick verschafft, Herr über Leben und Tod zu spielen, weil in seinem Gehirn an der Stelle, wo bei anderen Menschen Mitgefühl und Gewissen verortet sind, wie bei einem Hai schlichtweg nichts ist, dann ist ihm am schwierigsten beizukommen. Wenn das zutrifft, müssen wir uns in der Tat Sorgen machen. Wenn jedoch der Kapitän und Jeremy recht haben und der Tod des Amerikaners ein Freitod war, bleibt immer noch die Frage, was mit Judy Kappel und Eden Philpotts ist. Die Theorie, dass die beiden unter einer Decke stecken und gemeinsam das Weite gesucht haben, erscheint mir irgendwie – abenteuerlich, nicht wahr.«
»Warum?«, fragte Rosie. »Mir kam es gleich am ersten Tag so vor, als würden sie manchmal, wenn sie sich unbeobachtet glaubten, kömische Blicke austauschen. Sie wissen schon, so wie es Leute tun, die ein Geheimnis miteinander haben.«
»Aber warum sind Eden und Judy dann nicht einfach in Nizza von Bord gegangen?«, gab Monty zu bedenken. »Warum haben sie mit dem Verschwinden gewartet, bis wir wieder auf hoher See sind? Welcher Plan steckt dahinter?«
»Vielleicht haben Judy und Eden noch etwas anderes vor, als wir dachten«, sagte Sheila aufgeregt. »Wenn es ihnen nur darum gegangen wäre, das Konto meiner Mutter abzuräumen oder ihren Schmuck zu stehlen, hätten sie das leicht tun können. Aber sie wollen ja, dass jeder denkt, sie seien über Bord gegangen. Wer weiß, vielleicht haben sie sogar diesen Amerikaner ins Meer geworfen, nur um uns glauben zu machen, dass es hier einen Verrückten gibt, der wahllos mordet und auch sie auf dem Gewissen hat. Und während wir alle das denken, verfolgen sie in aller Ruhe ihre eigenen Pläne.«
James zog nachdenklich die Augenbrauen hoch. »Sie sind ziemlich genial, Sheila.«
»Aber welche Pläne sollten das sein?«, fragte Charles.
»Ich weiß es nicht.« Sheila zuckte die Schultern.
Monty wandte sich James zu. »Aber ich finde, der Kapitän und Jeremy handeln richtig, wenn sie, statt eine allgemeine Warnung über die Bordlautsprecher durchzugeben, lieber zusätzliches Sicherheitspersonal auf den Decks bereitstellen.«
»Sie meinen wegen der Panik, die ausbrechen könnte«, bemerkte der Heilpraktiker.
Monty nickte. »Das hätte
Weitere Kostenlose Bücher