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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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einheimische Fauna – alles, was zusätzliche Farbe in das Projekt bringen könnte.»
    «Oh, da gibt in der Tat eine ganze Menge. Es ist eine faszinierende geologische Region.»
    Der Produzent nickte ein wenig unschlüssig. «Ich werde ein Interview mit Ihnen führen, sobald wir zurück sind.»
    Sully, der die Unterhaltung gehört hatte, eilte herbei. «Ich würde mich freuen – in meiner Eigenschaft als Leiter der Expedition –, Ihnen jede Hilfe zukommen zu lassen, die Sie benötigen.»
    Conti nickte abwesend, die Augen bereits wieder auf den Gletscher geheftet.
    Marshall fragte sich, ob er dem Produzenten von den amerikanischen Ureinwohnern erzählen sollte. Sie waren wahrscheinlich genau die Art von «Farbe», nach der Conti suchte. Doch genauso schnell, wie ihm der Gedanke gekommen war, entschied er sich dagegen. Eine laute, ignorante Filmcrew, die über ihre Siedlung hereinbrach, war mit Sicherheit das Letzte, was die Tunit wollten – oder verdient hatten. Er konnte sich ihre Reaktion ausmalen, hätten sie gewusst, wie sich der Mount Fear im Verlauf der letzten Tage verändert hatte.
    Er musterte Conti verstohlen. Es fiel ihm schwer, sich ein Bild von dem Regisseur und Produzenten zu machen. Trotz seines Künstlergetues zeigte er auch eine harte, kompromissloseSeite. Es war eine höchst sonderbare, eine unberechenbare Kombination.
    Die Höhle lag nun vor ihnen, und ihr dunkler Eingang war verdeckt von schwerem Equipment: Ein niedriger, schwerer Tieflader auf Ballonreifen mit einem Kran und ein weiteres Fahrzeug, das Marshall nicht identifizieren konnte. Beide waren leuchtendgelb lackiert und wirkten grell vor der verschneiten Landschaft und dem blauen Eis des Gletschers. Während der Kameramann Objektive wechselte und der Tontechniker sein tragbares Mischpult vorbereitete, schwärmten die Handlanger in ihrer Lederkleidung um die Maschinen herum aus. Zwei von ihnen kletterten in die jeweiligen Führerhäuser, während andere die Paletten von der Pritsche des Sno-Cat luden und ihre Fracht auf dem mobilen Kran verstauten. Bei genauerem Hinsehen erkannte Marshall, dass es Säcke mit schweren Stahlstützen waren, deren Höhe hydraulisch verstellbar war.
    Penny Barbour, die Computerspezialistin der Expedition, beobachtete die Männer aus zusammengekniffenen Augen bei ihrer Arbeit. Sie hielt in einer dick behandschuhten Hand einen Palmtop und einen Digitalrecorder in der anderen. Sie stand der Dokumentarfilmcrew noch misstrauischer gegenüber als Marshall. «Ich kann mir denken, wofür sie den verdammten Tieflader brauchen», murmelte sie. «Aber wozu dient das andere Ding?»
    Marshall musterte das zweite Fahrzeug. Es war vollgestopft mit altmodisch wirkendem Equipment. «Keine Ahnung.»
    «Machen Sie eine Notiz», sagte Conti in diesem Augenblick zu Kari Ekberg. «Ich will eine Palette aus diesen vier Farben: dem Weiß des Schnees, dem tiefen Blau des Himmels, dem Azur des Gletschers und dem Schwarz der Höhle. Ähnlich einemNachtstück in Blau. Wir setzen diesen speziellen Prozess dafür ein, sobald wir zurück im Studio sind.» Er sah seine Kameraleute an. «Fertig?»
    «Fertig», antwortete Fortnum.
    «Fertig, Mr. Conti», sagte Toussaint, sein Assistent.
    «Sie müssen sehr vorsichtig sein», warnte Marshall. «Extrem vorsichtig. Der Boden besteht aus spiegelglattem Eis. Und wie ich bereits sagte, diese Lavaschlote sind sehr brüchig. Der ganze Plan ist irrsinnig riskant. Eine falsche Bewegung, und die gesamte Höhle stürzt ein.»
    «Danke sehr, Dr. Marshall», sagte Conti und drehte sich zu seinen Kameraleuten um. «Fortnum? Toussaint? Wenn Sie irgendwelche lauten knackenden Geräusche hören, während wir drin sind, schwenken Sie über die Gesichter der Leute. Suchen Sie die erschrockensten aus und halten Sie drauf.»
    Die Kameramänner sahen sich nervös an und nickten.
    Conti blickte sich ein letztes Mal um, dann nickte er Toussaint zu. «Ruhe am Set!», bellte der Assistent. Schlagartig verstummten sämtliche Gespräche.
    Conti hob den Blick zur Höhle. «Und –
Action!»
    Eine digitale Klappe fiel, und die Kameras liefen. Gleichzeitig starteten die schweren Maschinen mit ohrenbetäubendem Lärm. Mit knirschenden Lagern rollten sie auf den Gletscher zu. Conti und sein kleiner Stab von Helfern folgten. Die Kameraleute blieben zurück, schwenkten über die Szenerie und nahmen alles auf. Marshall folgte widerwillig der Prozession in Richtung Höhle. In ihm regte sich das furchtbare, deprimierende Gefühl,

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