Nullpunkt
dass sie alle für Contis Überheblichkeit teuer würden zahlen müssen.
Am Eingang der Höhle blieben die Fahrzeuge stehen, und die Arbeiter zogen ein paar Säcke von der Pritsche. Oben aufden Kabinen der gelben Fahrzeuge flammten starke Scheinwerfer auf, Kupplungen schlossen sich, und die Maschinen rollten wieder vor, diesmal viel langsamer, und verschwanden unter der niedrigen Höhlendecke. Marshall und der Rest folgten. Die kalte Luft in der Lavaröhre roch nach schweren Dieselabgasen. Die Wände vibrierten, und der Lärm der Motoren war ohrenbetäubend. Ein Blick über die Schulter zeigte Marshall, dass die Arbeiter unter Anleitung eines stämmigen Vorarbeiters namens Creel hydraulische Stahlträger aus den zuvor abgeladenen Hüllen zogen und die Decke damit provisorisch abstützten. Viel sicherer fühlte sich Marshall nicht.
Er folgte der Prozession den Schlot hinunter. Eine Taschenlampe war unnötig – die Scheinwerfer auf den Fahrzeugen und auf den Kameras verwandelten die Höhle in eine Röhre aus leuchtendem Blau. Voraus erklang ein tiefes, schabendes Geräusch, als eines der Fahrzeuge sich den Weg unter der niedrigen Decke hindurch bahnte. Marshall bemerkte, dass selbst Sully erbleichte.
Dann weitete sich die Höhle, die Decke wich zurück, und die kleine Gruppe bildete rasch einen Kreis um den freigelegten Bereich im Eisboden. Man schaltete die Dieselmotoren einen nach dem anderen ab, und die plötzliche Stille war für einen Moment schier ohrenbetäubend. Ein leises stakkatoartiges Knistern echote durch die Kaverne, als das Eis unter den schweren Maschinen ein wenig nachgab. Die Arbeiter stützten die Höhle mit Trägern ab, dann zogen sie sich zurück und warteten.
Einen Moment lang sagte niemand ein Wort. Alle starrten hinunter auf die großen toten Augen, die so kalt zurückstarrten. Kari Ekberg hatte die Stirn gerunzelt und wirkte beunruhigt. Penny Barbour verfasste hastig Notizen auf ihremPalmtop. Conti starrte hinunter auf das trübe Eis, seine Selbstgefälligkeit war unübersehbar erschüttert. Faraday blinzelte durch seine übergroße Brille, während er Messinstrumente aus den Taschen zog. Sully strahlte etwas aus, das Marshall an väterlichen Stolz erinnerte.
Schließlich riss sich Conti von dem Anblick los. «Fortnum, Toussaint – haben Sie das?»
«Positiv», antwortete Fortnums Assistent.
«Haben Sie auch einen Schwenk über die Wissenschaftler gemacht?»
«Zweimal.»
«Sehr gut.» Der Produzent sah Sully an. «Markieren Sie bitte das Tier.»
Sully räusperte sich. «Markieren?»
«Den Eisblock, den wir aus dem Höhlenboden schneiden werden. Seien Sie bitte großzügig. Wir wollen schließlich nicht versehentlich einen Unterschenkel abtrennen.»
Sully zuckte zusammen, doch dann trat er tapfer vor und stellte nach kurzer, leiser Konsultation mit Faraday ein paar Berechnungen an, bevor er mit seinem Taschenmesser ein ungefähres Rechteck in das Eis ritzte.
«Wie tief?», fragte Creel, der Vorarbeiter.
Sully sah Penny Barbour an, die ihren Palmtop zurate zog. «Zwei Komma sieben Meter», sagte sie dann.
Creel wandte sich an den Mann an der Kontrollkonsole des zweiten, merkwürdig aussehenden Vehikels. «Du hast es gehört. Mach zwei Komma acht daraus.»
Erneut brüllte ein Dieselmotor auf, und dicke Rußwolken erfüllten die Luft. Die Kameraleute filmten, wie einer der Arbeiter eine Fernbedienung nahm und einen schweren mechanischen Ausleger vom Vehikel über dem Eis in Positionbrachte. Langsam senkte er ihn auf den von Sully markierten Umriss herab.
«Zurücktreten», warnte Creel die Umstehenden.
An der Spitze des Auslegers erschien ein intensiv roter, dünner Lichtstrahl. Augenblicklich begann das Eis an der Stelle zu verdampfen, wo der Strahl auftraf. «Ein militärischer Laser», bemerkte Conti. «Extrem stark und dennoch präziser als die Feile eines Juweliers.»
Alles beobachtete gespannt, wie der Laser langsam dem eingeritzten Umriss im trüben, schmutzigen Eis folgte. Einer der Arbeiter schaltete einen tragbaren Kompressor ein, der auf der Seite des Tiefladers montiert war. Mit einer Art Schnorchel, den er an den immer länger werdenden Schnitt hielt, saugte er das Wasser mit einem dicken Gummischlauch ab und leitete es in die tieferen Bereiche der Eishöhle. Marshall fühlte sich an eine monströse Zahnbehandlung erinnert. Während der Wissenschaftler in ihm gegen die bloße Vorstellung einer derartigen Operation rebellierte – des hemmungslosen Herausschneidens
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