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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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war der Raum leer. Nur der Heizlüfter stand im hinteren Teil, und zwischen den Doppel- T-Trägern klaffte das große Loch. Marshall wandte sich dem zweiten Bild zu. Dieses Foto war nicht verwackelt: eine Nahaufnahme des Lochs selbst.
    «Und?», fragte Sully.
    «Alle gehen davon aus, dass der Dieb unter den Tresor gekrochen ist», sagte Faraday. Er setzte seine Brille ab und begann die Gläser an seinen Manschetten zu polieren. «Und dass er den Eisblock mit einer Bügelsäge ausgeschnitten hat.»
    «Ja. Das haben wir alle gehört. Und?»
    «Haben Sie die Aufnahme vom Loch genauer betrachtet? Werfen Sie einen Blick auf das Sägemuster.»
    «Das Sägemuster?»
    «Ganz recht, das Sägemuster. Wenn jemand von unten in den Tresor eingebrochen ist, dann sollten die Fasern von unten nach oben ausfransen. Doch wie man auf der Nahaufnahme unschwer erkennen kann, fransen sie genau in die umgekehrte Richtung aus, von oben nach unten.»
    «Lassen Sie mich mal sehen», verlangte Sully und nahmMarshall die Bilder aus der Hand, um sie sich erneut anzusehen. «Ich kann nichts erkennen.»
    «Darf ich?», fragte Marshall und nahm die Fotos wieder an sich. Er betrachtete die Nahaufnahme. Obwohl die silberne Farbe des Bodens das helle Licht im Innern des Tresors reflektierte, sah er sofort, dass Faraday recht hatte: Die ausgefransten Holzfasern zeigten nicht nach oben. Sie zeigten definitiv nach
unten
.
    «Wer auch immer das war, er ist nicht von unten in den Tresor eingebrochen», sagte er. «Er hat sich einen Weg von drinnen nach draußen gesägt.»
    Sully winkte ungeduldig ab. «Wolff hat Ihnen beiden zu sehr zugesetzt. Sie sehen Gespenster.»
    «Nein. Es ist keine Einbildung. Ich kann es deutlich erkennen», widersprach Marshall. Er sah Faraday an. «Sie wissen, was das bedeutet?»
    Faraday nickte. «Wer auch immer die Katze gestohlen hat, er kannte die Zahlenkombination für den Tresor.»

18
    Bis zu diesem Moment hatte Marshall die Schwelle zu Contis geräumiger Suite nicht überschritten. Doch als der Regisseur ihm nun bedeutete einzutreten, sah Marshall sogleich, aus welchem Grund Conti nicht nur das Quartier des Kommandanten für sich in Beschlag genommen hatte, sondern das des Stellvertretenden gleich mit: Die weitläufigen, doch spartanisch eingerichteten Räume waren in einen ausgedehnten, opulenten Salon umgewandelt worden. Ledersofas,samtbezogene Polsterbänke und Plüsch-Ottomanen bildeten auf kostbaren Perserteppichen ein geschmackvolles Arrangement. Die eintönigen Metallwände waren mit postmodernen Gemälden und Draperien bedeckt. Das Prunkstück des Raums jedoch war ein Hundert-Zoll-Flachbildschirm im hinteren Teil, dessen Basis nicht zu sehen war, weil Sesselreihen davor aufgebaut waren: ein Privatkino zum Sichten von Filmmaterial, zum Betrachten von Spielfilmen und zweifellos, wie Marshall annahm, von Emilio Contis Greatest Hits.
    Der Regisseur war höflich, beinahe beschwingt, und der einzige Hinweis, dass er seit mindestens sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen hatte, waren die dunklen Ringe unter seinen Augen. «Guten Morgen, Dr. Marshall», begrüßte er ihn lächelnd. «Guten Morgen. Kommen Sie herein, kommen Sie nur herein! Sieben Uhr dreißig – exzellent! Ich schätze Pünktlichkeit.» Er hatte sich irgendetwas auf dem großen Bildschirm angesehen – schwarz-weiß, ein wenig körnig. Jetzt schaltete er es mit einem Knopfdruck aus. «Bitte nehmen Sie doch Platz.»
    Er führte Marshall zu den Sitzreihen. Durch eine offene Tür konnte Marshall im Raum dahinter einen kleinen Konferenztisch mit ergonomischen Arbeitssesseln erkennen. In einer Ecke stand ein antiker Moviola, von den Spulen hingen Filmstreifen. Marshall starrte den altmodischen Apparat an und fragte sich, ob dieser Anachronismus Teil von Contis Arbeitsweise war oder einfach Affektiertheit.
    Conti nahm vor dem riesigen Bildschirm Platz und bedeutete Marshall, sich ebenfalls zu setzen. «Was halten Sie von meinem kleinen Vorführraum?», fragte er, immer noch lächelnd.
    «Ich habe zugesehen, als dieses Ding mit dem Hubschrauberherbeigeschafft wurde», sagte Marshall und nickte in Richtung des Bildschirms. «Ich dachte, es wäre irgendein wichtiger Bestandteil der Produktion.»
    «Aber es
ist
ein wichtiger Bestandteil der Produktion», erwiderte der Regisseur. «Nicht nur für das Schneiden meines Films, sondern um mich bei geistiger Gesundheit zu halten.» Er winkte in Richtung zweier Bücherregale voller DVDs rechts und links des

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