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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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habe.»
    Marshall schüttelte den Kopf. «Das ist verrückt. Die Dokumentation sollte gestern auf Sendung gehen – Sie wären heute bereits abgereist. Warum sollten wir uns da mit Sabotage aufhalten?»
    «Zugegeben, ich wäre heute nicht mehr hier gewesen. Aber die Nachbearbeitung hätte noch einige Tage länger in Anspruchgenommen, ganz zu schweigen vom Abbau der Sets und dem Abtransport des Equipments. Als ich Sully einen ungefähren Zeitplan nannte, schien er nicht sonderlich erfreut.» Conti sah Marshall forschend an. Das Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen. «Sully scheint mir mehr der impulsive Typ zu sein. Sie nicht. Deswegen wende ich mich an Sie. Trotz unseres kleinen Streits vor ein paar Tagen denke ich, dass Sie ein vernünftiger Mann sind. Vor allen Dingen scheinen Sie mehr als Ihre Kollegen zu begreifen, was auf dem Spiel steht. Also, Dr. Marshall:
Wo zum Teufel ist diese verdammte Katze?»
    Marshall erwiderte Contis Blick. Der Regisseur kontrollierte seine Mimik sorgfältig, aber dennoch war nicht zu übersehen, dass Conti verzweifelt war. Er suchte nach einem Weg, ganz egal welchem, um die Situation zu retten.
    «Was ist mit Logan?», fragte Marshall, als ihm die Unterhaltung vom Vorabend im RAS P-Raum in den Sinn kam. «Er ist aus dem Nichts hier erschienen. Niemand weiß, was er auf der Fear Base will. Man hat mir gesagt, er sei Professor an der Yale – Professor für Geschichte. Kommt Ihnen das nicht eigenartig vor – und höchst verdächtig?»
    «Es ist eigenartig, in der Tat. Es ist tatsächlich so eigenartig, dass ich Dr. Logan als Verdächtigen ausschließen muss. Es wäre zu offensichtlich. Abgesehen davon sagte ich es Ihnen bereits: Ich setze auf Sabotage, nicht auf Diebstahl. Und Dr. Logan hat keinen Grund, meine Dokumentation zu sabotieren. Noch einmal – wo ist die Katze? Ich denke, Sully hat es Ihnen verraten. Können wir sie bergen?»
    «Sully hat mir überhaupt nichts verraten. Sie bellen den falschen Baum hinauf, Conti. Sie sollten unter Ihren eigenen Leuten nach dem Schuldigen suchen.»
    Conti sah ihn prüfend an, und langsam änderte sich seinGesichtsausdruck in etwas, das sehr stark nach Bedauern aussah. «Das ist Wolffs Aufgabe», seufzte er. «Hören Sie, ich habe ausgiebig darüber nachgedacht, und ich kann das hier auf zwei Arten erledigen. Wenn wir diese Katze finden, mache ich den Film, wie ich es ursprünglich vorgehabt habe. Mit meinen Fähigkeiten kann ich diese Verzögerung sogar in einen Vorteil verwandeln – die Dinge noch spannender machen, die Zuschauermenge vergrößern. Jeder gewinnt. Die Alternative – ich mache eine Kriminalgeschichte daraus.»
    Er zeigte mit dem Daumen hinter sich auf den Schirm. «Ich wollte schon immer einen Film noir machen. Jetzt habe ich die Möglichkeit dazu. Und die Geschichte, die ich erzählen werde, ist sogar
wahr
. Eine große Geschichte, dokumentiert von mir selbst, eine Geschichte, die sich in Echtzeit entwickelt: die Sabotage, die Untersuchung, der Triumph der Gerechtigkeit. Eine Geschichte wie diese wäre unsterblich, Dr. Marshall. Stellen Sie sich die Folgen für die Porträtierten in der Öffentlichkeit vor, positiv oder negativ. Ich muss nichts weiter tun, als die Rollen zu besetzen. Den Helden finden … und den Schurken.»
    Auf dem riesigen Bildschirm überquerte Victor Mature eine geschäftige Straße, und hinter ihm erhob sich die Silhouette der Stadt wie ein Wald aus Zähnen. «Sehen Sie sich ihn an», sagte Conti. «Ein Durchschnittsmensch, der in etwas verwickelt wird, das größer ist als er. Erinnert Sie das nicht an jemanden?»
    Marshall antwortete nicht.
    «Also, Dr. Marshall – wie sieht es aus? Was werden Sie tun? Sich auf die richtige Seite schlagen, auf die Seite der Guten, und den Schurken verpfeifen? Oder etwas anderes … etwas sehr viel Dümmeres?»
    Als Mature das Bild verließ, schwenkte die Kamera zu einer anderen Gestalt, die sich in einer dunklen Seitengasse versteckt gehalten hatte: bleich, hager, ganz in Schwarz mit einer hellen Krawatte, die Augen seltsam leer. Tommy Udo. Er trat aus seiner Deckung, blickte sich vorsichtig um, dann verschwand er in einem Hauseingang.
    «Ich liebe Richard Widmark in dieser Rolle», sagte Conti. «Er spielt den Psychopathen einfach großartig. Seine Eigenheiten, sein nervöses Hyänenlachen – absolut genial.»
    Inzwischen schlich der Killer eine schmale Treppe hinauf.
    «Ich hatte eigentlich gehofft, Sie als Mature zu besetzen», sagte Conti. «Aber jetzt bin

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