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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Dutzend neuer Flaschen Betadine und Wasserstoffperoxid. Über allem lag ein Schleier von Vernachlässigung, der wie der Staub auf Mobiliar und Armaturen klebte.
    Marshall sah sich um. Im ehemaligen Wartezimmer drängelten sich die Leute. Wolff, Conti, Kari Ekberg, Gonzalez, der rothaarige Corporal namens Phillips – sie alle sorgten dafür, dass der kleine Raum noch klaustrophobischer wirkte. Sully war endlich wiederaufgetaucht – er hatte in einem abgelegenen Labor Wetterdaten studiert, wie er sagte, und die wenig verlockende Vorhersage mitgebracht, dass der gegenwärtige Schneesturm noch wenigstens achtundvierzig Stunden lang anhalten würde. Jetzt stand er mit gerötetem Gesicht abseits in einer Ecke. Niemand, so schien es, wollte durch die offene Tür in den nächsten Raum gehen. Es war das einstige Behandlungszimmer. Jetzt diente es als improvisierte Leichenhalle.
    Sergeant Gonzalez befragte den unglücklichen Produktionsassistenten, der den Leichnam gefunden hatte, einen schlaksigen jungen Mann Anfang zwanzig mit einem flaumigen Kinnbart. Marshall wusste lediglich, dass sein Name Neiman lautete.
    «Haben Sie sonst jemanden in der Umgebung gesehen?», wollte Gonzalez wissen.
    Neiman schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck war glasig und benommen, als hätte er soeben einen Schlag an den Kopf bekommen.
    «Was hatten Sie dort draußen zu suchen?»
    Ein langes Schweigen. Dann: «Ich war an der Reihe.»
    «An der Reihe? Womit?»
    «Mit der Suche. Nach der verschwundenen Katze.»
    Gonzalez verdrehte die Augen und wandte sich wütend an Wolff. «Geht das immer noch weiter?»
    Wolff schüttelte den Kopf.
    «Das ist auch besser so, sonst hätte ich Ihnen jetzt den Befehl erteilt, diesen Unsinn sofort abzubrechen! Hätten Sie Ihre Leute nicht in diesem Unwetter nach draußen geschickt, wäre Peters jetzt noch am Leben.»
    «Das wissen Sie nicht!», erwiderte Wolff.
    «Selbstverständlich weiß ich das! Peters wäre nicht draußen gewesen. Er wäre keinem Polarbären begegnet.»
    «Das ist reine Vermutung», sagte Wolff.
    Gonzalez funkelte ihn an.
    «Sie vermuten, dass es ein Polarbär war. Der Mann könnte auch ermordet worden sein.»
    Gonzalez seufzte angewidert und wandte sich geringschätzig zu Neiman um. «Haben Sie etwas gehört? Etwas gesehen?»
    Neiman schüttelte den Kopf. «Nichts. Nichts als Blut, überall Blut.» Er sah aus, als müsste er sich im nächsten Moment übergeben.
    «In Ordnung, das reicht für den Augenblick.»
    «Wer hat den Leichnam hierher geschafft?», fragte Marshall den Sergeant.
    «Das war ich selbst. Zusammen mit Private Fluke.»
    «Wo ist Fluke?»
    «In seiner Koje. Es geht ihm gerade nicht so gut.» Gonzalez nickte Phillips zu. «Warum begleiten Sie Mr. Neiman nicht in sein Quartier zurück?»
    Kari Ekberg trat vor. «Ich komme mit», sagte sie.
    «Sprechen Sie nicht mit den anderen darüber», sagte Wolff. «Noch nicht.»
    Kari sah ihn an. «Aber ich muss es ihnen sagen.»
    «Es verursacht nur unnötige Aufregung», entgegnete Wolff.
    «Unnötige Aufregung wird durch Gerüchte und Geschwätz verursacht», sagte sie. «Und die verbreiten sich jetzt schon.»
    «Sie hat recht», sagte Gonzalez. «Es ist besser, wenn die anderen es erfahren.»
    Wolff starrte die beiden an. «Also schön, wie Sie meinen. Aber erzählen Sie nicht, in welchem Zustand er gefunden wurde.»
    «Und sagen Sie allen, dass sie die Basis nicht verlassen sollen», fügte Gonzalez hinzu.
    Kari folgte Phillips und Neiman nach draußen. Marshall sah ihr hinterher. Sie hatte sich verändert. Bisher war sie Conti und Wolff gegenüber stets sehr respektvoll gewesen. Jetzt, nach Peters’ Tod, war davon nicht mehr viel übrig. Nicht nur, dass sie aus der Reihe getanzt war und die Wissenschaftler über das Unglück informiert hatte – jetzt stellte sie Anordnungen sogar offen infrage.
    Marshall bemerkte, dass Wolff ihn anstarrte. «Was denn?», fragte er.
    «Wenn Sie schon hier sind, wollen Sie keinen Blick darauf werfen?»
    «Einen Blick worauf?», fragte Marshall.
    «Sie sind doch Biologe, oder?»
    Marshall zögerte. «Paläoökologe.»
    «Meinetwegen. Aber solange der Sturm wütet und bis ein Flugzeug hier landen kann, müssen wir den Leichnam in einem Kälteraum lagern. Warum werfen Sie nicht vorher einen Blick darauf und lassen uns Ihre Meinung hören?»
    «Weil ich kein Pathologe bin. Und weil ich keine medizinische Ausbildung habe. Sie sollten Faraday fragen – er ist wenigstens ein richtiger Biologe.»
    «Sie

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