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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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sollen ja nicht gleich eine Autopsie vornehmen», sagte Wolff. «Ich möchte doch nur, dass Sie einen Blick auf die Wunden werfen und uns sagen, was Sie davon halten.»
    «Wovon halten?», meldete sich Sully zum ersten Mal zu Wort.
    «Beispielsweise, ob sie von einem Menschen verursacht worden sein könnten.»
    Gonzalez verzog ärgerlich das Gesicht. «Das ist reine Zeitverschwendung. Wir wissen, dass es ein Polarbär war.»
    «Wir wissen überhaupt nichts. Abgesehen davon war Peters ein Angestellter von Terra Prime – es ist unsere Entscheidung, was wir machen.» Wolff sah Marshall durchdringend an. «Wir sind alle zusammen hier oben gefangen – mindestens noch zwei weitere Tage, heißt das. Meinen Sie nicht, wir sollten erfahren, ob es in unserer Mitte einen Soziopathen gibt? Um unserer eigenen Sicherheit willen?»
    Marshall warf einen Blick zu der offenen Tür. Er verspürte einen großen Widerwillen dagegen, sich das anzusehen, was dahinter lag. Doch er spürte auch, dass vier Augenpaare auf ihm ruhten.
    Er nickte knapp. «Also schön.»
    Wolff führte ihn in das Untersuchungszimmer. Es war ausgestattet mit einem einfachen Holzstuhl, einem Waschbecken, einem Regal mit Handtüchern und militärischen Erste-Hilfe-Kits sowie mehreren Schränken voll mit alten und neuen Medikamenten. Mitten im Raum stand eine Untersuchungsliege, auf der unter einem Laken der Leichnam lag. Das Laken war durchnässt von Blut, und ringsum hatte man zusammengerollte Handtücher platziert wie Sandsäcke auf einem Damm, um zu verhindern, dass Blut auf den Boden tropfte.
    Marshall schluckte. Er hatte im Grundstudium Leichen seziert,doch das waren klinische Leichen gewesen, blutleer, gewaschen, anonym und fast mehr synthetisch als menschlich. Josh Peters’ Leichnam war nichts von alledem.
    Marshall blickte sich zu den anderen um, die schweigend gefolgt waren und nun um den Tisch herum standen. Wolff mit bemüht neutraler Miene. Gonzalez, der mit arbeitenden Kiefermuskeln auf das Laken starrte. Sully, der unbehaglicher dreinblickte als jemals zuvor. Und Conti, dessen Augen zu dem Toten zuckten, dann zur Seite, dann wieder hin in einer sich auf seinem Gesicht abzeichnenden Mischung aus Agitation, Gier und Ungeduld.
    «Ich benötige ein paar Eimer und einen Schwamm», sagte Marshall.
    Gonzalez verschwand in einem Lagerraum und kehrte mit zwei weißen Plastikschüsseln zurück. Marshall stellte eine davon neben dem Untersuchungstisch auf den Boden und füllte die andere zur Hälfte mit Wasser aus dem Waschbecken. An einem Haken hinter der Tür hing ein staubiger Laborkittel, den er nun anzog. Dann öffnete er eines der Erste-Hilfe-Kits, nahm ein paar Latexhandschuhe hervor und zog sie über. Als er fertig war, drehte er sich zu Sully um.
    «Gerry?», fragte er.
    Sully antwortete nicht. Er starrte auf das zusammengerollte Handtuch um Peters’ abgedeckten Kopf herum. Es war völlig durchtränkt mit Blut.
    «Gerry», sagte Marshall ein wenig lauter.
    Sully zuckte zusammen und hob den Blick.
    «Würden Sie vielleicht protokollieren?»
    «Hmmm? Oh. Ja, sicher.» Sully suchte in seinen Taschen nach einem Stift und Papier.
    Marshall atmete tief durch. Dann griff er nach den zusammengerolltenHandtüchern auf seiner Seite des Tischs und warf sie in die auf dem Boden stehende Schüssel. Es gab ein nasses, klatschendes Geräusch, als sie das Plastik trafen. Ein weiterer tiefer Atemzug, dann packte er eine Ecke des Tuchs und zog es langsam von der Leiche herunter.
    Ein kollektives, unfreiwilliges Stöhnen entrang sich den Kehlen der Anwesenden. Marshall hörte es in seiner eigenen Kehle aufsteigen.
    Die einzige Person, die still blieb, war Gonzalez. Seine Kiefermuskeln arbeiteten heftig.
    Es sah noch schlimmer aus, als Marshall befürchtet hatte. Peters schien in eine Dreschmaschine gekommen zu sein. Seine Kleidung war völlig zerfetzt, und nahezu jede nackte Stelle seines Körpers war übersät von Schnitten, dünnen, geraden Linien, die wie von Rasierklingen gezogen durch das blasse Fleisch liefen. In der Brust hatte er eine riesige, klaffende Wunde, durch die die unteren Rippen zu sehen waren. Die Ränder waren sauber und glatt, als hätte ein Metzger sein Handwerk verstanden. Der Schnitt weitete sich in der Unterleibsregion und gab den Blick frei auf rote und graue Schlingen von Eingeweiden. Schlimmer noch als dieser Anblick war das Schädeltrauma. Der Angriff hatte Peters’ Gesicht vollkommen entstellt. Ein zerstörter, geborstener Schädel, der

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