Nullpunkt
weitab von sämtlichen tröstlichen Annehmlichkeiten der Zivilisation. Der Abend zog sich in die Länge, und die Unterhaltungenverstummten nach und nach, doch die Leute blieben trotzdem sitzen – niemand wollte zurück in sein Quartier und allein sein mit sich und der beunruhigenden Stille seiner eigenen Gedanken.
Ashleigh Davis teilte diese Stimmung nicht. Sie saß an einem separaten Tisch in der Offiziersmesse, den elegant frisierten Kopf in die Hände gestützt, und starrte untröstlich auf die Wanduhr in ihrer Metallfassung. Dies hier war, wie sie feststellte, eine Hölle. Schlimmer als eine Hölle. Diese Basis
stank
. Das Essen war mehr als ekelerregend. Sie war Millionen Meilen vom nächsten Wellness-Center entfernt. Überhaupt kein Gedanke an eine anständige Tasse Espresso mit Bergamotte, nicht einmal dann, wenn das Leben davon abhing. Am schlimmsten von allem jedoch war das Gefühl, in einem Gefängnis zu sitzen. Bis der Sturm nachließ, steckte sie daumendrehend auf dieser Basis fest, hatte ihre strahlende Karriere Pause. Es gab keinen Weg nach draußen, außer sie ging zu Fuß. Und wenn sie noch viel länger hier am Ende der Welt festsaß, dachte sie düster, würde sie vielleicht genau das tun: Einfach nach draußen gehen in den Schnee und die Dunkelheit, genau wie dieser Typ von Scotts Antarktis-Expedition … sie hatte den Begleitkommentar zu einer Dokumentation über dieses Unternehmen gesprochen, doch sie brachte beim besten Willen nicht die Energie auf, sich den Namen des armen Burschen ins Gedächtnis zurückzurufen.
… und zu allem Übel verging die Zeit so langsam! Der Nachmittag hatte eine Ewigkeit gedauert! Sie hatte die Maske so lange drangsaliert, bis sie ihr eine Gesichtsbehandlung verpasst hatten, sie hatte sich die Finger- und Zehennägel machen und das Haar frisieren lassen, sie hatte das Kostümmädchenauf Trab gehalten und sich erst eins, dann noch eins und schließlich noch ein drittes Kleid zum Anprobieren bringen lassen und lange überlegt, was sie zum Abendessen tragen sollte.
Abendessen!
Das war ein viel zu freundliches Wort für dieses Zeug. «Pampe» traf es schon besser. Oder vielleicht «Schweinefraß». Ja, Schweinefraß. Und erst die Gesellschaft beim Essen! Sie war von Anfang an alles andere als unterhaltsam gewesen, doch an diesem Abend herrschte Totenstille am Tisch. Nur weil dieser Idiot Peters dumm genug gewesen war, einem Polarbären über den Weg zu rennen, benahmen sich alle, als sei das Ende der Welt gekommen. Sie hatten völlig vergessen, dass sie einen Star in ihrer Mitte hatten. Das war erbärmlich, wahrhaft erbärmlich – sie war eine Verschwendung für diese Bande.
Sie seufzte ärgerlich, zog eine Zigarette aus ihrer Hermès-Handtasche und zündete sie mit ihrem Platinfeuerzeug an.
«Hier in der Basis herrscht absolutes Rauchverbot, Ashleigh», sagte Conti. «Militärische Vorschriften.»
Davis stieß ein wütendes Schnauben aus, nahm die Zigarette aus dem Mund, starrte sie an, steckte sie wieder zwischen die Lippen, nahm einen tiefen Zug und drückte sie dann auf einem Teller mit trockener Tapioka aus. Sie blies den Rauch durch die Nase und sah den Regisseur und Produzenten über den Tisch hinweg an. Sie hatte den größeren Teil der letzten Stunde damit verbracht, ihn anzubetteln, ihm zu drohen, ihn zu erpressen oder ihn zu bestechen, damit er ihr einen Flug von dieser grauenvollen Basis zurück nach New York verschaffte – alles vergeblich. Es wäre unmöglich, hatte er stur geantwortet. Sämtliche Flüge, öffentlich oder privat, wären auf unbestimmte Zeit eingestellt. Nichts, was sie gesagt hatte,hatte ihn umstimmen können. Tatsächlich hatte er kaum von ihr Notiz genommen, er schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Sie hatte sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und einen Schmollmund gezogen. Selbst Emilio kümmerte sich nicht um sie.
Unglaublich!
Sie stieß ihren Stuhl zurück und erhob sich. «Ich gehe in meinen Wohnwagen», verkündete sie. «Danke für den wunderbaren Abend.»
Conti – der schon wieder den Kopf gesenkt hatte und in seine Notizen vertieft war – blickte zu ihr auf. «Falls du Ken Toussaint begegnest», sagte er, «schick ihn bitte zu mir. Ich bin entweder hier oder in meinem Quartier.»
Ashleigh hängte sich den Mantel über die Schultern, ohne Conti einer Antwort zu würdigen. Ihre persönliche Assistentin Brianna nahm ihren eigenen Mantel und erhob sich ebenfalls. Sie hatte während des gesamten Abendessens
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