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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zeh
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darum, sich auf die Grundsätze dieses Sports einzulassen. Ob das zu viel verlangt sei?
    Jola schwieg. Ich reduzierte die Oberflächenpause auf das Nötigste und bestand darauf, den zweiten Tauchgang an derselben Stelle durchzuführen. Weil sich das flache ruhige Wasser bestens für unsichere Taucher eigne.
    Um kurz nach acht waren wir von Lahora aufgebrochen; nach dem zweiten Tauchgang zeigte die Uhr noch nicht einmal zwölf. Während ich den Wagen belud, stand Jola hinter mir, in einem weißen Frotteemantel, den sie zum ersten Mal dabei hatte, und mit Handtuch auf dem Kopf. Sie sah aus wie ein Model in einem Katalog für Luxusbäder. Ihre Brüste mussten sich großartig anfühlen unter dem dicken Frotteestoff.
    »Fahren wir noch woanders hin?«
    »Für einen dritten Tauchgang habe ich keine Flaschen dabei.«
    »Wo wir gestern waren? Nur so?«
    Ich wandte mich ihr zu. »Um die Sache zu Ende zu bringen?«
    Sie lächelte und hielt mir die Hand hin. »Vielleicht ist es ja erst der Anfang.«
    Ich wich ihr aus. Von der Anstrengung, nicht zu schreien, klang meine Stimme gepresst.
    »Vielleicht versuchst du zur Abwechslung, dich nicht wie ein Flittchen zu benehmen?«
    Sie ließ sich auf die Bordsteinkante sinken und begann zu weinen. Ein kleines Weinen, keine Show. Das Gesicht presste sie in den Kragen ihres Bademantels.
    Scheiß auf die Fischer. Scheiß auf die Frau mit dem Putzwasser, die schon wieder in der Haustür stand. Von den Einheimischen kannte mich ohnehin kaum jemand, schon gar nicht in Famara. Der Schäferhund unter dem Boot war aufgestanden, als wollte er nachsehen, was mit Jola los war. Ich setzte mich neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern.
    Ich sagte, es tue mir leid.
    Sie fragte, was ich meine.
    Ich sagte, dass ich mich am Tag zuvor unprofessionell verhalten habe und dass es nicht wieder vorkommen werde.
    »Sven.« Sie hob das Gesicht. Ihre Nasenflügel waren gerötet und schienen leicht zu vibrieren. »Ich habe mich in dich verliebt.«
    »Schwachsinn.« Ich rückte ein Stück von ihr ab. »Das kommt vom Tauchen. Es ist eine Grenzerfahrung. Ich bin deine Bezugsperson. Das weckt Gefühle.«
    Sie streckte den Finger aus und berührte mich an der Schulter.
    »Hör auf. Bitte.« Ich hielt ihren Finger fest. »Du hast Theo. Ich habe – eine Freundin.«
    Mein winziges Zögern quittierte sie mit einem winzigen Lächeln. »Ist das so?«
    Das Gespräch benötigte eine neue Richtung.
    »In zehn Tagen fliegst du nach Deutschland zurück.«
    »Ich kann hierbleiben. Antjes Job übernehmen.«
    Plötzlich sah ich Jola am Computer im Arbeitszimmer sitzen, die Beine elegant zur Seite geklappt, während sie meine Buchführung erledigte. Ich sah sie am Herd stehen. Ich sah meine Hände, die unter ihr Kleid fuhren, während sie in den Töpfen rührte. Sie drehte sich halb nach mir um – und plötzlich war es Antjes Gesicht, das zwischen Jolas Haaren auf Jolas Hals saß und mich traurig ansah. Ich sprang auf.
    »Worüber reden wir hier eigentlich?«
    »Über das Leben, schätze ich.«
    »Theo liebt dich, Jola.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Er hat es mir erzählt.«
    Nachdenklich sah sie zu mir hoch. »Wirklich?«
    Die Erleichterung spornte mich an.
    »Als wir essen waren. Dass er ohne dich nicht leben kann, hat er gesagt. Dass du alles bist, was er hat.« Genau erinnerte ich mich nicht, aber die Richtung stimmte.
    »Und dass du mich vögeln kannst, wenn du willst?«
    »Das hat er natürlich nicht gesagt.« Ich versuchte, empört zu klingen.
    »Dass er kein Problem damit hat, wenn du auf mich stehst? Weil sowieso alle auf mich stehen und er das gewöhnt ist?«
    Ich schwieg. Jola lachte und erhob sich ebenfalls.
    »Du bist wirklich süß, Sven.« Sie schob die Hände in die Taschen ihres Bademantels. Die Fischer sahen ungeniert zu uns herüber. Ich baute darauf, dass sie kein Deutsch verstanden.
    »Mach dir keine Sorgen«, fuhr Jola fort. »Wir haben Zeit. Wir können einfach abwarten, wie die Dinge sich entwickeln.«
    Sie begann, unter dem Mantel ihren nassen Bikini auszuziehen. Offensichtlich war das Gespräch beendet. Auch wenn ich nicht wusste, zu welchem Ergebnis wir gekommen waren, fühlte ich mich besser. Als hätten wir einander versichert, dass wir Freunde bleiben wollten.
    Wenig später saß sie auf dem Beifahrersitz, das Haar zum Pferdeschwanz gebunden, und wirkte bestens gelaunt.
    »Wir essen in Teguise zu Mittag«, sagte sie. »Danach würde ich gern die Kakteengärten besichtigen.«
    Ich nahm

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