Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
rein und trinken etwas …« 
    Vanek war der Meinung, daß man nie wissen könne, was einen erwartet, und sagte sich, daß es sich bezahlt mache, immer einen vollen Tank zu haben. Als sie aus dem Renault ausstiegen, sahen sie in der Werkstatt einen Mechaniker, der die Windschutzscheibe eines Mercedes 350, an dem er soeben gearbeitet hatte, sauberwischte.
     Lennox sah auf seine Uhr und ging aus der Bar der Auberge des Vosges hinaus zum Waschraum. Genau zwei Stunden. Der Mann von der Werkstatt hatte ihm soeben gesagt, daß der Wagen fertig sei, und Lennox hatte die Rechnung bezahlt. Zuvor hatte er im Telefonbuch nachgesehen, ob Annette Devaud verzeichnet war, hatte aber keinen Eintrag gefunden. Der Barmann hatte weitergeholfen.
     »Komisches altes Mädchen. Muß jetzt schon über siebzig sein. Sie lebt noch immer auf dem Holzfällerhof, ganz allein. Die Leute im Ort bekommen sie kaum einmal im Jahr zu sehen - nur der Bursche, der ihr Lebensmittel bringt. Bemerkenswerte Frau, diese Annette Devaud. Sie wissen, daß sie dreißig Jahre lang blind gewesen ist?«
     »Ich habe sie noch nicht kennengelernt«, sagte Lennox vorsichtig.
    »Bemerkenswerte Frau«, wiederholte der Barmann. »Passierte kurz vor Kriegsende - sie wurde plötzlich blind, einfach so. Irgendeine Krankheit, ich weiß nicht, was es war. Dann nimmt sie vor ein paar Monaten irgend so ein Spezialist unter die Lupe und sagt, er könne was machen.« Der Barmann wischte ein Glas besonders sorgfältig ab. »Ein Wunder geschieht. Er operiert sie, und sie kann wieder sehen. Stellen Sie sich das mal vor - mehr als dreißig Jahre blind, und dann sieht man die Welt wieder, als wäre man neu geboren. Tragödie, übrigens - das mit ihrer Enkelin, Lucie. Wissen Sie, wer sie war?«
    »Nein.«
    »’n Mädchen, das vor einer Woche versucht hat, Florian umzulegen. Muß verrückt gewesen sein - so wie dieser Bursche, der Präsident Kennedy in Dallas erschossen hat.« Der Barmann beugte sich vertraulich vor. »Ich wohne nur zwei Kilometer von dem alten Mädchen entfernt, und die wenigen von uns hier, die wußten, wer Lucie war, haben den Mund gehalten. Nicht mal die Polizei hat kapiert - Lucie ist nur ein paarmal hergekommen. Ich sage Ihnen das nur, weil Sie jetzt zu ihr wollen - könnte ihr einen Schock versetzen, wenn Sie was Falsches sagen …«
    Lennox dachte darüber nach, als er zum Waschraum ging. Dort ließ er sich Zeit. In der letzten Nacht in Freiburg hatte er nur zwei Stunden Schlaf bekommen. So etwas konnte nur in einem französischen Dorf passieren - eine Verschwörung des Schweigens, um eine ortsansässige und von allen geachtete Dame zu schützen. Über dem Waschbecken war ein Spiegel angebracht, durch den man die Tür sehen konnte. Lennox trocknete sich gerade die Hände, als die Tür aufging. Lennox ließ das Handtuch sinken und starrte in den Spiegel. Der Mann an der Tür starrte zurück. Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke, dann sah sich der Mann an der Tür im Raum um, als suchte er jemanden, und ging wieder hinaus.
    Lennox trocknete sich rasch ab, zog sich Jacke und Mantel an und öffnete dann langsam die Tür. In der Rue de l’Épine in Straßburg, vor dem Hauseingang zu der Wohnung Léon Jouvels, hatte er wenige Sekunden lang das Gesicht des Mannes mit dem Regenschirm sehen können, mit dem er zusammengeprallt war. Dem Mann war dabei die Brille aufs Pflaster gefallen. Lennox war sich seiner Sache noch nicht absolut sicher - der Mann in Straßburg schien älter gewesen zu sein -, er hatte das Licht der Straßenlaterne nicht voll aufs Gesicht bekommen, erinnerte sich Lennox. Der Flur vor dem Waschraum war leer. Er ging hinunter und warf einen Blick in die Bar.
    Der Mann, der in den Waschraum gekommen war, drehte Lennox den Rücken zu, aber sein Gesicht war im Spiegel hinter der Bar zu sehen. Er sprach mit einem anderen Mann, einem hochgewachsenen, dunkelhaarigen und glattrasierten Mann von etwa dreißig Jahren. Der hochgewachsene Mann, der gelangweilt ein leeres Glas in der Hand drehte, sah seinem Begleiter kurz über die Schulter, starrte Lennox offen an und wandte sich dann ab. Jetzt war Lennox seiner Sache noch sicherer. Im Wagen des sowjetischen Kommandos in Freiburg hatten drei Männer gesessen. Der Mann namens Bonnard war tot, also blieben noch zwei. Und auf der Rückseite des Kriegstagebuchs, das sie in Wohls Haus mitgenommen hatten, hatte Annette Devauds Adresse gestanden.
    Lennox verfluchte sich in diesem Augenblick dafür, daß er

Weitere Kostenlose Bücher