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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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endgültig davon überzeugte, daß es ihr gelungen war, die wahre Identität des Leoparden zu entlarven. Sie hatte ein solches Tier in einem auf exotische Geschenke spezialisierten Geschäft in der Rue de Rivoli entdeckt. Sie kaufte es - zu einem horrenden Preis - und nahm es mit nach Hause. Dann kaufte sie eine Karte für die Modenschau in der Rue Cambon. Sie hatte in der Zeitung gelesen, daß auch Präsident Florian die Vorführung in Begleitung seiner Frau Lise besuchen werde.
     Als Guy Florian in Lises Begleitung erschien - er hatte sein Erscheinen zugesagt, um Gerüchte zu zerstreuen, daß er sich mit seiner Frau überworfen habe -, hatte die Schau bereits begonnen. Mannequins paradierten auf dem Laufsteg. Lucie saß auf einem Stuhl in der ersten Reihe und verdeckte mit dem Mantel, was sich unter dem Stuhl befand. Florian und seine Frau setzten sich fast genau gegenüber hin. Ein Mannequin war gerade vorübergeschwebt, als das Leopardenjunge unter dem Stuhl hervorkroch, sich breitbeinig auf den Teppich stellte und die Zähne fletschte.
     Es war in einem Moment vorüber. Ein bewaffneter Sicherheitsbeamter in Zivil - einer von mehreren, die Marc Grelle herbeordert hatte - sah den Ausdruck auf dem Gesicht des Präsidenten, riß Lucie die Kette aus der Hand und zog das Tier aus dem Salon. Lucie folgte mit dem Mantel überm Arm. Florian erholte sich schnell, machte eine wegwerfende Handbewegung und einen Witz: »Ich habe noch keinen Tropfen getrunken, und trotzdem tanzen mir schwarze Flecken vor den Augen!«
     Draußen im Foyer nahm Lucie wortlos das Tier in Empfang und verließ den Salon. Der Eigentümer des Modehauses hatte sich amüsiert gezeigt, als sie mit dem Leopardenjungen erschienen war. »Wie chic«, hatte er zu seiner Direktrice bemerkt. »Wir sollten eines der Modelle mit dem Tierchen paradieren lassen …« Lucie setzte sich in den Wagen, hob das Leopardenjunge auf den Beifahrersitz und fuhr zurück zur Place des Vosges. Am folgenden Tag brachte sie das Tier in das Geschäft an der Rue de Rivoli zurück; der Besitzer nahm es zu einem erheblich reduzierten Preis zurück.
     Sehr oft trifft eine Frau nur aufgrund ihrer weiblichen Intuition eine Entscheidung; sehr oft behält sie recht damit. Lucie Devaud war jetzt überzeugt, daß Guy Florian der Leopard war. Sie hatte in seinen Augen einen seltsamen Ausdruck gesehen, bevor er sich erholte, eine plötzliche Vorsicht und Besorgnis, als er sie anstarrte - als hätte er verstanden, nachdem er ihr in die Augen geblickt hatte. »Wer zum Teufel bist du? Du hast mich aufgespürt …« Lucie wußte, daß man ihre Spur nicht verfolgen konnte: Sie hatte den kleinen Leoparden in bar bezahlt und hatte die Karte für die Modenschau unter einem falschen Namen bestellt. Bei der Fahrt zu ihrer Wohnung beschloß sie, Guy Florian zu töten. Am folgenden Morgen kam Gaston Martins Brief an.
     Martin beantwortete ihren Brief in ähnlich behutsamen Wendungen. Er sagte, er finde ihre Theorie interessant und informierte sie, daß er bald per Schiff aus Guyana zurückkehren werde. Ob sie sich nach seiner Ankunft in Paris treffen könnten? Lucie Devaud schrieb postwendend zurück und schlug vor, sie sollten sich in einem kleinen Hotel auf der Rive Gauche treffen, dem Cécile in der Rue de Bac. Sie war wohl nicht sonderlich darauf erpicht, einen Ex-Sträfling in ihre luxuriöse Wohnung am Place des Vosges einzuladen - oder vielleicht wollte sie auch nichts weiter, als die Geheimniskrämerei fortsetzen, die so sehr zu einem Bestandteil ihres Lebens geworden war.
     Am Abend vor dem Mittwoch, dem 8. Dezember, schrieb sie einen vollständigen Bericht über alles nieder, was sie in Erfahrung gebracht hatte, und steckte ihn zusammen mit den beiden Porträtskizzen vom Leoparden in einen Umschlag, den sie anschließend versiegelte. Auf die Vorderseite des Päckchens schrieb sie mit der Hand: Im Falle meines Todes dem Polizeipräfekten von Paris auszuhändigen. Am nächsten Morgen überreichte sie das Päckchen ihrem Anwalt, Max Rosenthal, mit der strikten Anweisung, es ungeöffnet zu lassen. Als Lucie in der Zeitung von Florians Spaziergang vom Elysée zum Place Beauvau las, entschloß sie sich, nicht auf Gaston Martin zu warten - obwohl die Ankunft des Franzosen unmittelbar bevorstand. Am Mittwochabend wartete sie vor dem Pelzgeschäft in der Rue du Faubourg St. Honoré. Als Florian erschien, zog sie ihre Pistole. Es war aber Marc Grelle, der zwei Schüsse abfeuerte.
     Der Bericht,

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