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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Devaud am meisten respektiert, vielleicht weil sie eine erklärte Antikommunistin war. »Bei ihr weiß ich wenigstens, woran ich bin«, hatte er einmal gesagt. Und Annette Devaud unterschied sich noch in einer anderen Hinsicht von den übrigen Mitgliedern der Gruppe - sie wußte, wie der Leopard aussah. Weil er es für nützlich hielt, sich den Ruf der Unverwundbarkeit aufzubauen, hatte der Leopard es verheimlicht, daß er bei einem Scharmützel in einem Wald einmal ins Bein geschossen worden war. Die Wunde verheilte zwar schnell, aber eine Zeitlang mußte er das Bett hüten. Es war Annette Devaud, die ihm in der Genesungszeit Gesellschaft leistete und ihn rasch gesundpflegte. In dieser Zeit wurde sie natürlich mit dem Aussehen des Leoparden vertraut. Die Feiern des Tags der Befreiung konnte Annette Devaud zwar hören, aber nicht sehen; sie war über Nacht erblindet.
    Niemand konnte die Ursache der plötzlichen Erblindung diagnostizieren. Einige meinten, sie sei auf die Nachricht vom... Tod ihres Mannes zurückzuführen, der in der Division General Leclercs gekämpft hatte. Es hätte auch der Tod ihrer neunzehnjährigen Tochter Lucie sein können, die im Wagen des Leoparden ertrunken war. Dies geschah, nachdem Annette Devaud den Leoparden gesundgepflegt hatte.
    Nach Kriegsende kehrte Annette Devaud auf den Holzfällerhof zurück und wohnte jetzt seit mehr als dreißig Jahren dort. Ihre Erblindung war für sie ein härterer Schlag, als sie für viele andere gewesen wäre; Annette war eine begabte Amateurmalerin gewesen und hatte auch viele Kohlezeichnungen gemacht. In ihrem neuen Leben mußte sie also auch auf Malen und Zeichnen verzichten. In einer Mappe bewahrte sie aber einige der Porträtskizzen auf, die sie während des Krieges aus dem Gedächtnis gezeichnet hatte. Darunter befanden sich zwei genaue Porträts des Leoparden.
     Annette Devaud hatte noch eine Tragödie hinnehmen müssen. Ihre Tochter Lucie hatte gegen den Willen der Mutter darauf bestanden, für sie Kurierdienste zu leisten. Während Lucies Arbeit für die Résistance war ein ehemaliger Buchhalter ihr Liebhaber geworden, ein Mann namens Albert Camors. Nur sechs Monate vor Lucies Tod im Wagen des Leoparden war aus der Verbindung ein Kind hervorgegangen. Das Kind hatte den Namen der Mutter erhalten, Lucie. Camors überlebte den Krieg und stritt sich mit der willensstarken Annette Devaud heftig um das Kind. Camors wollte ihr keinerlei Rechte an der Kleinen einräumen. Camors ließ sich in Paris als Börsenmakler nieder, hatte Erfolg und zog sein Kind selbst groß. Eine Ehe ging er nicht ein.
     Lucie wuchs als Einzelkind in dem frauenlosen Haushalt ihres Vaters auf. Sie war ein willensstarkes Kind - ein Gegenstück zu ihrer Großmutter Annette, die sie nie kennenlernte. Die Mutter, an die sie sich nicht erinnern konnte, wurde zu einer Obsession für sie. Von ihrem Vater erfuhr sie vom Leoparden und davon, wie ihre Mutter ums Leben gekommen war. Als Lucie fast dreißig war, tat Camors in den Armen seiner neuesten Geliebten seinen letzten Seufzer. Lucie erbte sein Vermögen und seine Wohnung am Place des Vosges. Zum erstenmal überhaupt besuchte sie ihre Großmutter.
     Die beiden Frauen fanden sofort Gefallen aneinander. Eines Tages, als sie sich über den Krieg unterhielten, zeigte Annette ihrer Enkelin die Mappe mit den Skizzen - einschließlich der beiden Porträts des Leoparden. Lucie erkannte den Mann sofort, sagte aber nichts davon zu der blinden alten Frau. Lucie benutzte einige der Namen ehemaliger Résistance-Leute - ihre Großmutter hatte ein paar genannt -, um so mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Mit dem Geld ihres Vaters konnte sie auch einen cleveren Anwalt einsetzen, Max Rosenthal, der die Vergangenheit des Leoparden durchleuchten sollte. Ohne Annette etwas zu sagen, nahm Lucie die beiden Skizzen aus der Mappe und brachte sie in ihre Pariser Wohnung.
     Es war Max Rosenthal, der Gaston Martin aufspürte, den ehemaligen Stellvertreter des Leoparden. Martin stand in Guyana kurz vor der Entlassung aus dem Zuchthaus. Lucie Devaud schrieb Martin, den ihre Großmutter mehrfach erwähnt hatte, einen vorsichtig formulierten Brief; sie deutete an, der Leopard sei in Frankreich eine wichtige politische Persönlichkeit geworden, und wartete auf eine Antwort. Der Brief erreichte Martin kurz nach seiner Entlassung. Er ließ sich mit der Antwort Zeit. Bei der Eröffnung einer Pariser Modenschau bediente sich Lucie des makabren Tricks, der sie

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