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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Zeit kosten«, fügte er hinzu. 
    Hoch oben auf dem Berg hielt Lennox den Mercedes an. Er stieg aus, stellte sich an den Rand der Böschung und blickte hinunter. Er mußte eine Minute warten, bis der Nebel sich so weit gelichtet hatte, daß er den Renault und zwei kleine Gestalten viel weiter unten erkennen konnte. Die beiden gingen um den Wagen herum. Einer von ihnen stieg wieder in den Wagen. Das leise Geräusch des startenden Motors drang zu Lennox herauf. Nach einer Minute hörte das Motorengeräusch auf. Die beiden Männer versuchten es jetzt mit eigener Kraft. Enttäuscht setzte Lennox sich wieder in den Wagen und fuhr davon. Er hatte gehofft, sie getötet zu haben, und jetzt hatte er nur einen kleinen Aufschub gewonnen.
     Weiter oben in den Bergen war das Wetter noch immer schlecht, und er sah sich gezwungen, die Geschwindigkeit zu drosseln. Die Gipfel waren hinter Wolken verschwunden. An den Abhängen waberte grauer Dunst. Die Welt außerhalb des Wagens bestand nur aus kaum erkennbarem Fichtenwald, der im Nebel vorüberrauschte. Die Adresse, die Dieter Wohl Lennox gegeben hatte, war irreführend - Holzfällerhof, Saverne. Das kann einem in einsamen Gegenden Frankreichs oft passieren. Annette Devaud wohnte in einiger Entfernung von Saverne. Lennox warf einen Blick auf die Skizze, die der Barmann der Auberge des Vosges ihm auf eine Speisekarte gekritzelt hatte, und fuhr weiter durch den Nebel. An einer Stelle kam er an einem Kanal vorüber, der unten tief in einem Einschnitt lag. An Bord eines großen Lastkahns bewegten sich Gestalten in Ölzeug. Lennox fuhr in eine Kurve. Als er herauskam, sah er ein grob gezimmertes Schild aus Holz über einer Hecke. Holzfällerhof.
     Der Feldweg, der hier abzweigte, der sich den Berg hinaufschlängelte und auf beiden Seiten von steilen Abhängen umgeben war, bestand nur aus dickem Schlamm und tiefen Spurrillen, in denen das Wasser stand. Lennox blieb mehrmals stecken. Die Räder drehten durch. Die Sicht war so schlecht, daß er die Scheinwerfer einschalten mußte. Als er einen Hügelkamm erreichte, erfaßten die Scheinwerfer die Frontseite eines langen Bauernhauses mit steilem Dach. Das Gebäude, das sich unter einer mächtigen Felswand voller Kletterpflanzen duckte, war das Ende des Feldwegs. Lennox ließ den Motor laufen und ging in den Regen hinaus. Er schätzte, daß ihm kaum mehr als fünfzehn Minuten blieben, um Annette Devaud von hier wegzubringen, bevor das Kommando hier ankam.
     Die Frau, die die Tür aufgemacht hatte, hielt eine doppelläufige Flinte im Arm, mit der sie auf Lennox’ Bauch zielte. Sie sagte, sie habe ihn von einem Fenster im Obergeschoß kommen sehen und lasse keine Fremden herein. Lennox sprudelte los; seine Stimme hatte einen Anflug von Hysterie. »Darf ich Ihr Telefon benutzen? Unten auf der Landstraße hat es einen Unfall gegeben, und eine Frau ist schwer verletzt …«
     »Ich habe kein Telefon …«
    »Dann geben Sie mir Verbandszeug, um Himmels willen …« Lennox fuchtelte mit den Armen und gestikulierte. Er stieß
     den Lauf zur Seite und entwand der alten Dame das Gewehr. »Tut mir leid, aber Gewehre machen mir Angst - manchmal gehen sie von selbst los. Und unten auf der Straße hat es auch keinen Unfall gegeben, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, daß es in zehn Minuten hier oben einen geben wird - und Sie werden darin verwickelt sein.« Er holte tief Luft. »Zwei Männer sind hierher unterwegs, um Sie zu töten …«
     In gewisser Hinsicht fühlte sich Lennox erleichtert. Er hatte eine gebrechliche alte Dame erwartet, aber die Frau, die ihm mit der Flinte entgegengetreten war, konnte man kaum gebrechlich nennen. Sie war mittelgroß, hielt sich gerade. Als er ihr die Waffe weggenommen hatte, hatte sie sich mühelos bewegt. Jetzt stand sie da und sah ihn wütend an, noch immer eine gutaussehende Frau mit einer Römernase und einem festen Kinn. »Sie sehen gar nicht verrückt aus«, sagte sie. »Weshalb sollte jemand mich umbringen wollen?«
     »Weil Sie vielleicht in der Lage sind, den Leoparden zu identifizieren …«
    Es kostete ihn ungefähr eine Viertelstunde - viel zuviel Zeit, wie ihm nach einem Blick auf die Uhr klar wurde -, Annette Devaud davon zu überzeugen, daß er vielleicht doch über das Bescheid wußte, wovon er sprach. Und während dieser Zeit, in der er in ihrem altmodisch eingerichteten Wohnzimmer stand, erhielt er die Erklärung für etwas, was ihm seit dem Gespräch mit dem Barmann vorhin Kopfzerbrechen

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