Nullzeit
und beleuchtete die Gipfel der Vogesen und die regennasse Straße. Weniger als dreihundert Meter weiter vorn sah Lennox den Renault in eine Kurve gehen; die Räder des Wagens schleuderten bei der hohen Geschwindigkeit Wasserkaskaden in die Luft. Dann fing es wieder an zu regnen. Es goß wie aus Eimern, so daß Lennox nicht mehr viel sehen konnte.
In dem kurzen Augenblick, in dem die Sonne durchgebrochen war, hatte Lennox sehen können, daß die Böschung rechts von der Straße steil abfiel. Er nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ den Motor ein wenig bremsen, so daß er in etwa den Abstand zu dem vor ihm fahrenden Wagen beibehielt. Seine Gelegenheit kam weniger als eine halbe Minute später, als sie sich noch immer beide den Berg hinaufschlängelten und rechts der Abhang abfiel. In der Ferne - wo die Straße wieder hinunterführte - sah Lennox die nebelhaften Umrisse eines Lastwagens auf den Renault zufahren. Lennox trat das Gaspedal durch und schloß zu dem vor ihm fahrenden Wagen auf, bis er fast die Stoßstange des Renault berührte. Die Straße führte noch immer nach oben. Jetzt folgte aber eine kurze Gerade. Lennox sah, daß das entgegenkommende Fahrzeug ein riesiger Holzlastzug war. Dieser kam rasch näher. Lennox berechnete sorgfältig Geschwindigkeit und Entfernung, schätzte die Breite der Straße und die Gesamtbreite der drei Fahrzeuge. Dann scherte er aus und setzte ohne Vorwarnung zum Überholen an.
»Dieser gottverdammte Irre …« Hinter dem Lenkrad des Renault schrak Vanek zusammen, als der Mercedes dicht an ihn heranfuhr. Vanek hielt noch immer Ausschau nach dem Peugeot 504. Instinktiv lenkte er den Wagen an den rechten Straßenrand heran, wo Regen und Dunst die Sicht versperrten. In wenigen Sekunden würde der Lastwagen gleichauf sein. Vanek versuchte, dem wahnsinnigen Idioten hinter ihm, der in dieser gefährlichen Situation überholen wollte, möglichst viel Spielraum zu geben. Hinter der Windschutzscheibe des Holzlastzuges tippte der Fahrer aufgeregt auf die Lichthupe, als er sah, was da vorging, aber er konnte unmöglich noch weiter nach rechts ausweichen.
»Achtung«, sagte Lansky, der plötzlich hellwach war. »Vorhin, beim Hotel, da stand ein Mercedes …«
Lennox fuhr jetzt neben dem Renault. Jetzt durfte der Engländer sich nicht den kleinsten Fehler leisten. Der Holzlastzug donnerte vorüber. Lennox war zwischen beide Fahrzeuge gequetscht. Dann war der Lastzug weg. Lennox drehte das Lenkrad eine Spur nach rechts. Die Seite des Mercedes prallte gegen die Seite des Renaults. Die nasse Straße besorgte den Rest. Der Renault schleuderte und kippte über die Böschung.
An dieser Stelle des Berges war der Abhang weniger steil. Vanek kämpfte verzweifelt mit der Lenkung, als er spürte, daß der Wagen über den Straßenrand schlitterte und den Abhang hinuntersauste. Er nahm den Fuß vom Gaspedal. Der Wagen wurde ein wenig abgebremst und rollte dann von allein weiter. Die Räder rollten über glitschigen Matsch und schleuderten Lehmklumpen in die Luft, die auch gegen die Windschutzscheibe flogen, so daß Vanek nichts mehr sehen konnte. Er hielt das Lenkrad umklammert und fuhr blind weiter. Der Wagen fuhr langsamer und langsamer, rollte aber unbeirrt weiter, schleuderte und rutschte, drehte sich. Es ging abwärts, immer weiter abwärts. Der Tscheche kämpfte, um den Wagen irgendwie auf halbwegs geradem Kurs zu halten. Dann, ohne zu wissen, was vor ihm lag, trat er auf die Bremse. Der Wagen prallte gegen irgend etwas. Dann blieb er stehen.
»Wir leben noch«, keuchte der Tscheche.
»Das ist schon was«, stimmte Lansky zu.
Als sie ausstiegen, entdeckten sie im strömenden Regen, daß sie sich auf halber Höhe des langgestreckten Abhangs befanden. Die Straße dort oben war im Regendunst verschwunden. Ein grasbewachsener, kleiner Wall hatte sie davor bewahrt, noch weiter in die Tiefe zu schlittern. Wenige Meter vom Standort des Renault entfernt schlängelte sich ein verschlammter Feldweg nach oben in Richtung auf die Straße. »Das war dieser Franzose, den ich im Waschraum gesehen habe«, sagte Lansky. »Ich habe ihn ganz kurz gesehen, als er uns überholte, bevor es krachte. Der kann nicht von der Polizei sein, sonst hätte er uns nicht die Böschung runtergehen lassen.«
»Wenn wir den wiedersehen, machen wir ihn kalt«, erwiderte Vanek.
»Jetzt müssen wir erst einmal diesen Wagen umdrehen. Dann werde ich versuchen, auf dem Feldweg da wieder nach oben zu kommen. Das wird aber
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