Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
kommt«, wiederholte er. »General Lamartine sitzt neben mir. Er wird bestätigen, was ich soeben gesagt habe …« Er legte die Hand auf die Sprechmuschel und sah, daß Lamartine zögerte. 
    »Machen Sie schon«, sagte Blanc scharf, »ich habe nicht die ganze Nacht Zeit …»
     Innerhalb von zehn Minuten hatte Blanc jede Bewegung aller Einheiten der französischen Armee gestoppt - ohne seine ausdrückliche Genehmigung durfte kein Panzer, kein Schiff und kein Flugzeug seinen Standort verändern. Blanc hatte auch mit den französischen Armeehauptquartieren in Baden-Baden und Sedan gesprochen - und Befehl gegeben, daß die beiden Panzerdivisionen nach der Durchquerung der Ardennen unverzüglich umzukehren und möglichst rasch nach Deutschland zurückzukehren hätten. Um die Ausführung des Befehls sicherzustellen, hatte er Chassou, den General Florians, vom Oberbefehl über die beiden Divisionen entbunden und ihn durch General Crozier ersetzt. Chassou wurde vom Militärgouverneur des Bezirks Metz unter strengen Arrest gestellt.
     Lamartine saß neben Blanc und bestätigte jeden Befehl. Der General wußte zwar nicht, was hier vorging, aber es war selbst Lamartine unmöglich, den Vorschlag zu machen, man solle den Elysée-Palast befragen - der Präsidentenpalast war unerreichbar. Blanc, der meisterhafte Manipulator, hatte Florians Waffe gegen diesen selbst gekehrt und den Präsidenten isoliert. Um drei Uhr nachts war alles erledigt. Die Krise würde am Morgen kommen, falls der Präsident erfuhr, was sich ereignet hatte.
     Marc Grelle, der sich jetzt in seiner Wohnung auf der Ile SaintLouis ziemlich allein fühlte, war übermüdet und unrasiert. Er trug noch immer seinen Rollkragenpullover und seine Hosen, rauchte und studierte eine Reihe von Berichten und Skizzen. Sie zeigten sämtliche Sicherheitsvorkehrungen, die er angeordnet hatte, um den Präsidenten auf dessen Fahrt zum Flughafen zu schützen. Wie schon so oft zuvor suchte Grelle auch diesmal nach einer undichten Stelle, einem Schlupfloch, irgendeiner Lücke im System, die er vergessen hatte und die es einem Attentäter ermöglichen würde, den Präsidenten zu töten. Er wünschte, er hätte jetzt Boisseau bei sich, aber dies war ein Unternehmen, an dem nur er allein arbeiten konnte. Gelegentlich blickte er auf das gerahmte Foto einer Frau, das auf dem Klavier stand. Es zeigte seine verstorbene Frau Pauline.
     Einige ehrgeizige Beamte in Frankreich achten sorgfältig darauf, daß sie eine reiche Frau heiraten; Geld kann einer Karriere sehr förderlich sein. Grelle hatte ein Mädchen aus einer Familie geheiratet, die in sehr bescheidenen Verhältnissen gelebt hatte. Dann, aus heiterem Himmel, kurz vor ihrem Tod bei dem Autounfall, hatte Pauline von einem entfernten Verwandten ein kleines Vermögen geerbt; sie hatte bis dahin nicht einmal von der Existenz dieses Verwandten gewußt. »Ich würde liebend gern eine Wohnung am Quai de Béthune kaufen«, hatte sie eines Tages gesagt. »Das ist die einzige Extravaganz, nach der ich mich je gesehnt habe …« Kurz darauf war sie ums Leben gekommen.
     Als Polizeipräfekt von Paris verfügte Grelle automatisch über eine Dienstwohnung in der Präfektur, aber nach Paulines Tod hatte er trotzdem diese Wohnung gekauft; nicht so sehr, weil er sie haben wollte, aber er dachte, daß es sie glücklicher gemacht hätte zu wissen, daß er jetzt hier lebte. Seine Augen wanderten immer öfter zu dem Bild hin, während er mit seinem Problem kämpfte; er fragte sich, was sie zu all dem gesagt hätte. Um vier Uhr morgens wurde ihm plötzlich bewußt, daß das Zimmer mit beißendem Qualm gefüllt war. Er stand auf und öffnete das Fenster. Er blickte auf die Seine hinunter und atmete tief durch, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er hatte noch immer keinen Ausweg gefunden.

21
     
    Am Morgen des 23. Dezember war kein Flughafen der Welt schwerer bewacht als der Flughafen Charles de Gaulle. Die Präsidenten-Concorde - die in der Morgendämmerung wie ein riesiger böser Vogel aussah - wartete auf dem Vorfeld. Sie war für den langen Flug nach Moskau bereits vollgetankt. In wenigen Stunden, um genau 10.30 Uhr, würde die Maschine in dem kritischen Winkel von fünfundvierzig Grad abheben und die einem Geierkopf ähnliche Pilotenkanzel hochrecken, um die Flughöhe von fünfzigtausend Fuß zu erreichen.
     Der Pilot des Präsidenten, Flugkapitän Pierre Jubal, der in seiner teuren Wohnung in Passy schon um halb sechs aufgestanden war,

Weitere Kostenlose Bücher