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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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vorkommen. Interessant ist aber, daß noch drei Minister zu Fuß kamen - sie kamen von der Sitzung im
     Innenministerium …« Die beiden Männer lächelten zynisch. Normalerweise wären alle in ihren jeweiligen Dienstwagen vom Place Beauvau zurückgekommen, aber weil der Präsident zu Fuß gegangen war, hatten sie sich verpflichtet gefühlt, gleichfalls ihre Beine zu gebrauchen. 
    »Und natürlich haben sie auch gehofft, sich in den Zeitungen wiederzusehen«, bemerkte Grelle. »Sie wußten, daß sich am Place Beauvau Fotografen aufhielten.«
     »Wer kam noch zurück?« fragte Boisseau ruhig.
    »Erstens Pierre Rouget - den können wir natürlich streichen.« Sie lächelten wieder. Rouget war dem Namen nach Ministerpräsident, der Mann, den Journalisten ›Florians Pudel‹ nannten. Er war ein liebenswürdiger Mann - ›mit einem Rückgrat aus Gummi‹, wie Grelle mitunter bemerkte -, von dem niemand sehr viel Notiz nahm. Es ging das Gerücht, daß er bald durch einen neuen Mann ersetzt werden sollte. Jedenfalls war er keine einsachtzig groß. »Zwischen 20.15 Uhr und 20.30 Uhr«, fuhr Grelle fort, »kamen zwei weitere Männer an und betraten den Elysée-Palast - und verließen ihn getrennt mit wenigen Minuten Abstand. Einer von ihnen war mein Boß, der Innenminister, Roger Danchin. Der andere war Verteidigungsminister Alain Blanc. Wie Sie wissen, sind das die beiden längsten Männer des Kabinetts, beide rund einsfünfundachtzig …«
    Boisseau nahm die erkaltete Pfeife aus dem Mund und starrte den Präfekten an. »Das glauben Sie doch nicht im Ernst? Danchin, Blanc - die beiden starken Männer der Regierung? Martin muß Halluzinationen gehabt haben.«
    »Ich glaube gar nichts«, erwiderte Grelle kühl. »Ich tue nichts weiter, als die Fakten zu prüfen und zu sehen, wohin sie führen - wie wir es bei jeder Ermittlung tun. Aber wie Vereinbart, erzähle ich Ihnen alles, wie absurd es auch scheinen mag.«
    »Absurd? Es ist nicht zu glauben.«
    »Natürlich.« Grelle nahm einen Bericht vom Schreibtisch und sprach beim Lesen der ersten Seite weiter. »Es ist noch etwas geschehen, David Nash, der Amerikaner, ist heute morgen bei der Ankunft am Flughafen Roissy von einem Mann der Sûreté gesehen worden. Außerdem habe ich für heute abend eine dringende Einladung zu einem Empfang in der amerikanischen Botschaft erhalten. Glauben Sie an Zufälle, Boisseau?«
    André, das Eichhörnchen antwortete nicht. Er blickte ins Leere, als bemühte er sich, eine Tatsache zu begreifen, die jenseits seiner Vorstellungskraft lag. »Danchin oder Blanc?«murmelte er.
     Roger Danchin hatte es sich schon als junger Mann zum Ziel gesetzt, Innenminister zu werden. An der École Normale d’Administration hatte er endlose Stunden über seinen Büchern verbracht. Diese besondere Hochschule war von de Gaulle gegründet worden; an ihr sollten die führenden Persönlichkeiten der Französischen Republik ausgebildet werden. Und während Guy Florian und Alain Blanc - an der École Polytechnique - die beiden Hasen waren, die sich durch ihre Brillanz rasch emporarbeiteten, war Danchin die Schnecke, die mit ihrer Beharrlichkeit am Ende auch das Ziel erreicht. Manchmal überlebt die Schnecke die Hasen.
     Um die Zeit, zu der man ihm den Posten des Innenministers anbot, wußte der Geheimdienstexperte Roger Danchin wahrscheinlich mehr über das französische Geheimdienstsystem als jeder andere. Er war wie Alain Blanc über einsfünfundachtzig groß und hatte sich wie so viele hochgewachsene Männer eine leicht gebeugte Haltung angewöhnt. Er war zweiundfünfzig Jahre alt, mager und hatte ein hageres Gesicht. Er war ein Mann mit einer Leidenschaft für Geheimhaltung und ein Mann, der die Macht liebte. Blanc, der ihn nicht mochte, faßte Danchins Charakter in einer beißenden Bemerkung zusammen: »Danchin würde seine eigene Großmutter verhören, wenn er den Verdacht hätte, sie könnte ihr Testament geändert haben - und nach drei Stunden unter den Bogenlampen würde sie ihm ihr gesamtes Geld vermachen …« Danchin befand sich auf der Höhe seiner Macht, als er Grelle - der gerade die Besucherliste des Elysée geprüft hatte - zu sich bitten ließ.
     Als der Präfekt das Büro des Ministers im ersten Stock betrat, stand Danchin am Fenster, von dem aus man auf einen schönen, von Mauern umschlossenen Garten an der Rückfront des Gebäudes hinuntersieht, auf einen Garten, den die Allgemeinheit nie zu sehen bekommt. 
    »Setzen Sie sich, Grelle«, sagte

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