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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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dort scheint niemand etwas über sie zu wissen …«
     Um neun Uhr morgens kam das Telex aus Cayenne, Guyana - die Antwort auf Grelles Bitte um Informationen. Es war ein sehr langes Fernschreiben. Grelle ergänzte es später durch einen Anruf beim Polizeichef von Cayenne. Die in dem Telex erzählte Geschichte war recht übel. Während des Krieges hatte Gaston Martin mit der vom Leoparden befehligten Résistance-Gruppe im Lozère gekämpft. Er hatte seinen eigenen Angaben zufolge - die er erst vor wenigen Wochen dem Polizeichef von Cayenne gemacht hatte - eng mit dem Leoparden zusammengearbeitet und war dessen Stellvertreter gewesen. Er hatte sogar den bissigen Wolfshund César erwähnt, der den kommunistischen Widerstandschef überallhin begleitet hatte.
     Bei Kriegsende - noch immer überzeugter Kommunist - hatte Martin sich beim Parteihauptquartier in Paris gemeldet, wo er einer besonderen politischen Abteilung unterstellt wurde. Dann, im Juli 1945, nur zwei Monate nach dem Ende der Kämpfe in Frankreich, betraute man Martin mit einer Mission: Er sollte nach Guyana in Südamerika gehen, um dort in der Hafenarbeitergewerkschaft eine geheime Parteizelle zu gründen. »Wenn wir die Häfen im Westen kontrollieren«, sagte man ihm, »dann werden wir den Westen kontrollieren…«
     Martin hatte sich mit großer Begeisterung auf die Reise begeben; er nahm ein Schiff von Le Havre nach Cayenne. Er war stolz, daß man für diese wichtige Arbeit gerade ihn ausgewählt hatte. Nach der Ankunft in dem tropischen Slum, der Cayenne nun einmal war, hatte sich seine Begeisterung ein wenig abgekühlt, aber er stürzte sich schon bald in die Welt der Intrigen und der Untergrundaktivitäten. Seine Befehle erhielt er von einem Mann namens Lumel; Lumel, halb Franzose, halb Indio, war in Guyana geboren. Dann kam der Schlag. Über Nacht lag Martins Welt in Trümmern. Eines Abends in einer Hafenbar wurde er Augenzeuge eines Streits unter Betrunkenen. Ein amerikanischer Seemann wurde erstochen. Die Polizei, die durch einen anonymen Anruf informiert worden war, kam am nächsten Tag, um Martin festzunehmen. Die Mordwaffe fanden die Beamten hinter einem Schrank in der Hütte versteckt, in der Martin wohnte.
     Lumel stellte Martin einen Anwalt, der sich vor Gericht als ein Stümper erwies. Martin wurde zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit auf der Teufelsinsel verurteilt. In den ersten paar Monaten seines Aufenthalts in dem gefürchteten Straflager hielt Martin die Hoffnung aufrecht, daß Lumel bald einen Weg finden werde, ihn freizubekommen; im Verlauf der Jahre jedoch erstarb diese Hoffnung. Lumel, der ihn vergessen zu haben schien, ließ nichts von sich hören. Als das Lager auf der Teufelsinsel 1949 geschlossen wurde, verlegte man Martin in eine andere Strafanstalt, die aber nicht weniger düster war.
     Bei guter Führung - und Martin war ein Musterhäftling - hätte er 1963 entlassen werden sollen. Ende 1962 aber kam es in der Anstalt, in die Martin verlegt worden war, zu einem Zwischenfall. Ein Wärter wurde hinterrücks erstochen. Die Mordwaffe wurde in dem Verschlag gefunden, in dem Martin sein hölzernes Eßgeschirr aufbewahrte. Es war eine Wiederholung des Mordes in Cayenne vor sechzehn Jahren. Was sofort als verdächtig hätte auffallen müssen, dachte Grelle grimmig beim Lesen.
     Offensichtlich war der Leiter der Strafanstalt ein nicht ganz einwandfreier Typ, der die Sache schnell geklärt wissen wollte. Martin wurde angeklagt, vor Gericht gestellt und zu weiteren zwanzig Jahren verurteilt. Um diese Zeit etwa dämmerte Martin die Erkenntnis, daß irgend jemand versuchte, ihn für ewig hinter Gittern zu halten. Er saß den größten Teil der neuen Strafe ab. Dann geschah etwas Seltsames. Lumel wurde auf der Straße zufällig überfahren. Der Fahrer beging Fahrerflucht. Als Lumel im Sterben lag, ließ er den Cayenner Polizeichef holen. »Der Fahrer dieses Wagens hat mich mit voller Absicht überfahren«, versicherte er. »Sie haben versucht, mich umzubringen …«Bevor er starb, diktierte er ein Geständnis, das er noch unterschrieb.
     Der Befehl, Gaston Martin aus dem Verkehr zu ziehen, hatte Lumel 1945 schon vor dem Eintreffen Martins in Cayenne erreicht. »Er kam von der Kommunistischen Parteizentrale in Paris«, erklärte Lumel in seinem Geständnis. »Ich hätte ihn natürlich auch töten lassen können, aber so wollten sie die Sache nicht geregelt haben …«
     »Ich weiß, warum«, sagte Grelle zu Boisseau, der seine Pfeife

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