Nullzeit
Organisation. Das ist das Geniale an dem Plan - wenn er keine Kontakte zu Kommunisten hat, kann man ihn nicht aufspüren.« »Hat Favel den Namen des Mannes genannt?«... Lasalle machte eine resignierende Handbewegung.
»Er wußte nicht, wer es ist - nur, daß es ihn gibt. Was mich schließlich überzeugte, war eine Tragödie. Am Tag nach meinem Verhör brach Favel aus der Kaserne aus - vierundzwanzig Stunden später fand man ihn mit gebrochenem... Genick am Fuß eines Felsens.«
»Seine sogenannten Freunde haben ihn erwischt?« »Ich bin davon überzeugt«, erwiderte Lasalle. »Ich begann
auf eigene Faust mit Nachforschungen, und schließlich hatte ich diese drei Namen auf der Liste beisammen. Ich habe einen der Männer besucht - Léon Jouvel in Straßburg -, aber ich habe das Gefühl, daß meine Position ihn erschreckte. Ich ging mit dem Gefühl weg, daß er etwas weiß. Kurz darauf hatte ich meinen großen Zusammenstoß mit Florian und mußte aus meinem eigenen Land fliehen …«
Lennox stellte weitere Fragen. Sowohl Jouvel wie Philip, die beiden Franzosen auf der Liste der Zeugen, lebten im Elsaß.
Ein Zufall? »Keineswegs«, erklärte Lasalle. »Der Leopard arbeitete in seiner Résistance-Gruppe am liebsten mit Elsässern zusammen. Er hielt sie für zuverlässiger als die mehr zum... Aufbrausen neigenden Leute aus dem Süden.« Der Oberst lächelte sarkastisch. »Er ist wohl in allem Realist, glaube ich.« »Aber der Leopard ist tot«, betonte Lennox. »Er ist 1944 in Lyon gestorben …«
»Das ist gerade das Schlaue an der ganzen Sache. Begreifen Sie nicht?«
»Offen gestanden nein«, erwiderte Lennox.
»Der Mann braucht für die wenigen Gelegenheiten, bei denen in sowjetischen Kreisen von ihm die Rede ist, einen Codenamen. Also haben sie ihm den Namen eines Menschen gegeben, den alle Welt für tot hält. Wie reagiert man unwillkürlich, wenn der Name fällt? Es muß Nonsens sein. Er ist ja tot! Mein Gott, wie haben Sie denn selbst reagiert?«
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Lennox langsam. »Sie wollen also sagen, es gibt …«
»Einen zweiten Leoparden - der irgendwie mit der Résistance-Gruppe des Leoparden zu tun gehabt hat. Diesem unbekannten Mann muß es leicht eingefallen sein, diesen Namen zu benutzen - wenn es so ist, daß er früher mit dem Mann zusammengearbeitet hat, dessen Namen er gestohlen hat. Einer dieser drei Zeugen auf dieser Liste sollte in der Lage sein, das Rätsel zu lösen …«
»Wer ist Dieter Wohl?« wollte Lennox wissen. »Wie ich sehe, lebt er heute in Freiburg. Er ist natürlich Deutscher?«
»Dieter Wohl war der Abwehroffizier, der den Leoparden während des Krieges aufzuspüren versuchte. Er wußte eine Menge über die Résistance im Lozère …«
Lasalle hatte mehr als einmal daran gedacht, selbst mit Dieter Wohl Kontakt aufzunehmen; es war dem Obersten zwar nicht möglich, nach Frankreich zu fahren, um die beiden Elsässer zu befragen, aber nach Freiburg hätte er ohne weiteres reisen können. Er hatte den Gedanken aber verworfen, denn der BND hätte von dem Besuch erfahren können.
»Sie hätten mir Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik vorwerfen können«, bemerkte er.
»Ich kann es mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht leisten, aus Deutschland hinausgeworfen zu werden. So, bitte, beantworten Sie mir jetzt eine Frage. Da Sie jetzt diese Namen und Adressen haben - werden Sie nach Frankreich fahren?«
»Ja.«
Während Lennox in der Nähe von Saarbrücken mit Oberst Lasalle sprach, kam Marc Grelle rund dreihundert Kilometer weiter westlich, in Paris, gerade vor der amerikanischen Botschaft in der Avenue Gabriel an. Punkt 18 Uhr ging er durch das Einfahrtstor. Er war sich wohl bewußt, daß er in diesem Augenblick von Agenten der Direction de la Surveillance du Territoire -der politischen Abwehr - fotografiert wurde. Er wußte sogar, wo die Kamera mit dem Weitwinkelobjektiv versteckt war: im Innern des blauen Berliet-Lastwagens, der gegenüber der Botschaft am Bordstein geparkt war. In der Nähe des Lastwagens gingen uniformierte Polizeibeamte auf und ab. Sie erweckten den Eindruck einer Polizeireserve, die sich für den Bedarfsfall bereit hielt. Am folgenden Morgen würde das Foto auf dem Schreibtisch des Innenministers liegen. Dem Abzug würde ein Formular mit den notwendigen Angaben beigeheftet sein. 18.00 Uhr. Besucher: Marc Grelle, Polizeipräfekt von Paris. Man würde auch genau vermerken, wann er die Botschaft
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