Nummer Drei: Thriller (German Edition)
Containerschiff.
»Für Proviant«, erklärte er. »Aus dem Ort.«
Ich starrte nur. Die kleinen Boote dienten dazu, Proviant auf die Jacht zu schaffen. Außerdem lagen vor Eyl noch andere Schiffe, die ebenfalls gekapert worden waren. Wir waren nicht die Einzigen. Das machte die Sache sogar noch beängstigender. Es war, als sei die Piraterie der Haupterwerbszweig dieser Stadt.
In den folgenden Tagen erkannten wir, dass dies absolut der Wahrheit entsprach. Es war unmöglich, die Piraten im Auge zu behalten, weil ständig Motorboote kamen und wieder abfuhren, um Wächter abzulösen und Lebensmittel zu bringen.
In dieser Zeit aßen wir noch die Vorräte von unserem Schiff, die Felipe für uns zubereitete. Die Piraten aßen zu jeder Mahlzeit Nudeln, nichts als Nudeln. Einer von ihnen zündete den Gasofen an, und dann kochten sie stundenlang den Inhalt der Dosen, die sie an Bord gebracht hatten. Es sah widerlich aus.
Oh, und der Kaffee! Den Kaffee darf ich nicht vergessen.
Ich glaube, am dritten Tag nach der Ankunft in Eyl sahen wir, wie sie ihn zubereiteten. Ich ging mit Tony draußen über den Laufgang, der die beiden Decks miteinander verband. Er durfte sich die ganze Zeit frei bewegen. Wir kamen am Bullauge der Kombüse vorbei, wo wir eine Bewegung bemerkten. Drinnen hockte ein Pirat vor einer großen Spülschüssel und schraubte gerade den Deckel einer Kaffeebüchse ab. Die Schrift war arabisch, also stammte sie vermutlich nicht aus unseren Vorräten. Er kippte die ganze Dose in die Spülschüssel, richtete sich auf und ging zum Lagerschrank. Mit einem Paket Zucker kehrte er zurück und kippte das ganze Kilo dazu. Dann trug er die Schüssel zum Wasserhahn und ließ kaltes Wasser einlaufen.
»Was zu m …«, begann Tony.
Der Pirat nahm den Metallbecher, der an seinem Hosenbund hing, tauchte ihn in das grässliche Gebräu und nippte daran. Offensichtlich zufrieden verließ er mit der Schüssel die Kombüse.
»O Himmel!«, stöhnte ich.
»Ja«, meinte Tony. »Felipe darf das auf keinen Fall sehen.«
Ich lachte. Felipe betrachtete die Kombüse als sein Revier. Er hasste es, wenn sich die Piraten dort zu schaffen machten, auch wenn er sich nicht dagegen wehren konnte. Und er hasste es, dass sie ihm die Messer weggenommen hatten. Er durfte sie nur benutzen, während ein Wächter aufpasste.
»Tja«, sagte Tony, »immerhin können wir hoffen, dass sie von einer Überdosis Koffein einen Herzinfarkt bekommen.«
Natürlich geschah das nicht, obwohl sie jeden Tag eine Schüssel von dem Zeug tranken. Man sah nie einen Piraten, der nicht rauchte, Khat kaute oder den sogenannten Kaffee trank. Auf Fluren und Gängen tauchten immer mehr schwarze Flecken auf, wo die Kauer ausgespuckt hatten. Als hätten Vögel das Schiff übernommen und reine Schwärze statt weißem Guano geschissen.
Der Zigarettenqualm war allgegenwärtig. Sogar Farouz hatte meistens eine Kippe zwischen den Lippen und stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus. Das ist eigentlich auch die lebhafteste Erinnerung, die ich an ihn habe.
14 Eigentlich wollte ich die Sterne gar nicht sehen.
Ich konnte einfach nicht schlafen, das ist alles. Auch als wir vor Eyl geankert hatten, waren wir nicht ständig eingesperrt. Wir durften uns frei bewegen, das Boot aber natürlich nicht verlassen. Selbst wenn wir die Flucht gewagt hätten – wie hätten wir das anstellen sollen? Zur somalischen Küste schwimmen? Die Vorstellung war absurd.
Ich will damit sagen, dass die Piraten nicht rund um die Uhr jeden unserer Schritte überwachten.
Eines Nachts, nicht lange nachdem wir die Küste erreicht hatten, verließ ich das Kino und ging auf das vordere Deck. Ich hoffte, an der frischen Luft würde ich vielleicht müde. Das war allerdings sehr dumm von mir. Viele Monate lang hatte ich mich bemüht, nicht zum Himmel hinaufzublicken und nicht daran zu denken, was es dort zu sehen gab, wenn die Sonne untergegangen war. Ich wollte nicht an meine Mutter erinnert werden, die mir etwas Dummes über Sternenstaub erzählt und gemeint hatte, ich könne sie immer zwischen den Sternen finden. Vor diesem Hintergrund hätte ich wirklich etwas vorsichtiger sein sollen. Aber wahrscheinlich leidet die Konzentration bei einer Entführung.
Genau wie hinten standen auch auf dem vorderen Deck drei Sonnenliegen. Sie wirkten lächerlich und fehl am Platz wie ein Swimmingpool im Kriegsgebiet. Ich blieb an einer der Liegen stehen und betrachtete das dunkle Meer.
Allerdings war es gar nicht
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