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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Lake
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dunkel.
    Bläulich glühte und schimmerte das Wasser unter mir. In diesem Moment zerfiel ich in zwei Teile wie eine Walnuss, die aus der Schale gelöst wird. Eine Hälfte staunte über den schönen Anblick, die andere Hälfte dachte: Ich blicke zwar nach unten, aber ich erkenne die Sterne.
    Benommen drehte ich mich um, und um nicht nach oben zu sehen, ließ ich mich mit geschlossenen Augen auf einer Sonnenliege nieder. Ich seufzte.
    Dann hörte ich ein Geräusch, einen jener Laute, die kaum wahrnehmbar sind, aber verraten, dass sich jemand bewegt. Ich richtete mich auf und wandte mich um. Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und kam auf mich zu.
    Es war der junge Mann namens Farouz, der gut Englisch sprach. In einiger Entfernung blieb er stehen. Ich erkannte den Umriss seiner Waffe. Er zündete sich eine Zigarette an, die kirschrote Glut war ein neuer kleiner Stern auf der Jacht, aber nicht so hell wie die Sterne am Himmel. Der Rauch stieg auf, ich betrachtete die Konturen seiner Wange. Mein Bewusstsein speicherte eine Momentaufnahme, wie es eben manchmal geschieht. Bis heute sehe ich ihn genau vor mir: die Art, wie er den Kopf schief hielt, die Rauchkringel.
    »Magst du die Sterne?«, fragte er leise.
    Er konnte nicht wissen, wie schwierig diese Frage für mich war. Die Erinnerungen an Mom schnürten mir die Kehle zu, und ich wollte nicht mit ihm reden. Lieber wäre ich aufgestanden und gegangen, aber ich wusste mich zu benehmen. Es wäre wohl sehr unhöflich gewesen. Zugleich war mir bewusst, wie abwegig ein solcher Gedanke war, diese Sorge, ich könne einen Piraten beleidigen, der mich als Geisel festhielt und mir letztlich mit dem Tod drohte, falls er kein Geld bekam.
    Außerdem hatte ich Angst, er könne mir Schmerzen zufügen, wenn ich nicht mit ihm sprach. Als o …
    »Ich habe nicht die Sterne betrachtet, ich wollte nur eine Weile hier sitzen«, erwiderte ich.
    »Sieh hinauf!«, forderte er mich auf und deutete zum Nachthimmel.
    Ich war ein Tiger, auf allen Seiten von Speeren umringt. Ich senkte den Blick. »Nein, tut mir leid, ic h …«, murmelte ich.
    Er lächelte mich an.
    »Keine Angst, ich tue dir nichts«, versprach er. »Bitte, sieh nach oben! Sie sind schön.«
    Was blieb mir anderes übrig?
    Ich blickte hinauf.
    Über mir funkelten Milliarden von Sternen. So etwas habe ich im ganzen Leben noch nicht gesehen. Wahrscheinlich lag es daran, dass es hier keine Luftverschmutzung gab. Ich wollte immer noch nach drinnen gehen und den Piraten ohne Erklärung stehen lassen, um vor den Schmerzen zu fliehen, die in mir aufloderten. Andererseits konnte ich keinen Finger rühren, saß wie gebannt auf der Sonnenliege und starrte nach oben.
    Zwischen den Sternen, die ich kannte und die ich – in eine Decke eingehüllt – mit Mom im Garten betrachtet hatte, funkelten zahllose unbekannte Sterne, von deren Existenz ich nichts geahnt hatte. Ich sah die Milchstraße, aber nicht als verwaschenen Fleck am Himmel, sondern wie in einer Diashow mit Weltraumfotos: eine große weiße Wolke mit bläulichen Zonen und voller Feuer, die sich über den ganzen Himmel spannte. Ringsum erstreckte sich tiefschwarz das Universum.
    Mom hatte mir alle Sterne genannt. Vom Deck der Daisy May aus erkannte ich natürlich sofort den Großen Wagen – man sieht ihn in der ganzen nördlichen Hemisphäre, was unsere derzeitige Position einschloss. Aber auch den Wassermann, den Steinbock, die Fische – alle Herbstkonstellationen.
    Einen Moment lang konnte ich nicht sprechen, weil ich fürchtete, mir zerbrächen die Worte im Mund wie eine Kommunionsoblate, und dann hätte meine bebende Stimme verraten, wie ich mich fühlte.
    Also gut.
    »Hier gibt es mehr als bei mir zu Hause«, räumte ich schließlich ein.
    »Nein«, widersprach er. »Es sind genauso viele. Allerdings kannst du zu Hause wegen der Straßenlaternen weniger erkennen.«
    Sein Englisch war sehr korrekt, so als läse er aus einem Buch vor. Vielleicht war es nicht hundertprozentig richtig, vielleicht machte er manchmal grammatische Fehler oder suchte nach einem Wort, aber das unterschlage ich hier. Gäbe ich seine Worte dem Klang nach wieder, dann könnte er für einen schlichten Mann gehalten und herablassend behandelt werden. Doch das war er zweifellos nicht, und er hätte es nicht verdient, so eingeschätzt zu werden. Er war klug, viel klüger als ich.
    »Ja, das weiß ich«, antwortete ich ein wenig gereizt. »Ich bin nicht so dumm«, fügte ich hinzu. Dann aber fühlte

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